Vom afrikanischen Ruanda in den Zolliker Wald

Moritz Scholer hatte eine spannende Kindheit. Zehn Jahre lebte er in Ruanda. Mit 16 zog es ihn wieder hierher: Er wollte Forstwart werden und ein bisschen mehr feiern. In diesem Sommer hat er seine Lehre als Forstwart bei der Zolliker Holzkooperation abgeschlossen.

Moritz Scholer im Wald
Moritz Scholer hat seine Lehre als Forstwart bei der Zolliker Holzkooperation abgeschlossen. (Bild: ab)

Du hast mit deinen Schweizer ­Eltern zehn Jahre in Ruanda gelebt, dein Vater arbeitete in der Hauptstadt Kigali für das Rote Kreuz. Wie bist du auf die Idee gekommen, Forstwart zu werden?

In Ruanda hätte ich weiter zur Schule gehen und anschliessend studieren müssen. Ein Ausbildungssystem wie bei uns gibt es dort nicht. Ehrlich gesagt wollte ich nicht mehr zur Schule. Ich wollte einen praktischen, sinnvollen Beruf lernen und unabhängig sein. Ein Beruf an der frischen Luft. Schreibtisch ist nichts für mich. Ich informierte mich auf verschiedenen Webseiten; unter den Vorschlägen der Online-Berufsberatungsplattformen war auch Forstwart. Ich bin dann in die Schweiz geflogen und habe in einem Forstbetrieb geschnuppert. Das hat mir echt gut gefallen. Auch mein Vater hat grossen Anteil an meinem Beruf. Mit ihm war ich campen und wandern, wir haben Feuer gemacht. Das hat mich geprägt.

Was gefällt Dir an deiner Arbeit im Zolliker Wald besonders gut?

Draussen zu sein in der Natur. Zu sehen wie sie sich verändert. Im Wald Bäume anpflanzen, sie zu fällen, zu schauen, wie es den Pflanzen geht – das ist einfach grossartig. Holz ist so ein toller Rohstoff und erst noch nachwachsend. Ausserdem sind wir ein kleines, sechs­köpfiges, internationales Team. Da lernt man sich kennen. Mir gefällt das. Als ich noch Lernender war und erzählte, dass ich für die Zolliker Holzkooperation arbeite, fragte man, ob ich denn ein ganz normaler Schweizer sei. Ich antwortete, ja schon, ich sei nur in Ruanda aufgewachsen und alle sagten. «Ach so, deshalb hast du in Zollikon die Lehrstelle.» Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass man hier aufgestellt und offen ist. (lacht)

Wie steht es um die Gesundheit unseres Waldes?

Ein grosses Problem im Zolliker Wald, wie in vielen europäischen Wäldern, ist der Borkenkäfer. Die Klimaveränderung hat einen enormen Einfluss auf dessen Ausbreitung. Früher waren die Sommer warm, die Winter kalt. Die Temperaturen sind heute viel milder. Die Borkenkäfer überleben den Winter oft ohne Schaden. Sie fressen sich munter durch die Baumborken, vermehren sich und vernichten viele Bäume. Vor drei Jahren hatten wir einen heftigen Sturm, viele bereits geschwächte Bäume kippten einfach um. Die kranken Bäume müssen sofort entfernt werden, auch damit sich der Schädling nicht weiter ausbreitet. Wir haben es heute mit einer Zwangsnutzung des Holzes durch massiven Borkenkäferbefall zu tun.

Du bist in Kigali auf eine internationale Schule gegangen. Hattest Du Kontakt zu Ruandern und ­Ruanderinnen, oder habt ihr eher in einer Expat-Community gelebt?

Nein gar nicht. An unserer Schule waren nur fünf weisse Schüler aus dem Ausland, alle anderen waren Einheimische. Aber klar, wir gehörten in finanzieller Hinsicht sicher zu den Privilegierteren. Der Kontakt zwischen uns war ganz normal, wir gehörten dazu. Das könnte auch daran liegen, dass die Mentalität der Bevölkerung uns Schweizern sehr ähnlich ist. Die Leute sind eher abwartend. Sie brauchen eine gewisse Zeit, bis sie sich Fremden öffnen. Wie wir auch. Niemand läuft dort mit offenen Armen auf andere zu. Das ist ein grosser Unterschied zur Mentalität zum Beispiel in Ghana oder Nigeria.

Was ist Dir in Ruanda aufgefallen, womit unsereins so gar nicht ­rechnet?

Ruanda ist extrem sauber und sicher. In zehn Jahren wurde uns nur einmal ein Velo gestohlen. Das kommt auch daher, dass einmal monatlich in jedem Quartier eine Aufräumaktion stattfindet. Da kommen alle zusammen, man tauscht Informationen aus und alle machen gemeinnützige Arbeit: das Quartier säubern, Pflanzen pflegen. Diese Aktionen sind obligatorisch für alle. So sind sich denn auch punkto Sauberkeit die Schweiz und Ruanda sehr ähnlich. Das Land wird ja auch die «Schweiz Afrikas» genannt. ­Ruanda gehört ausserdem zu den afrikanischen Ländern mit dem höchsten Wirtschaftswachstum.

Das Land fördert besonders den Öko-Luxus-Tourismus. Auch der Berggorillas wegen kommen die Touristen. Weltweit gibt es nur knapp 1000 Tiere, alle leben in den Bergen Ruandas und Ugandas auf 2500 bis 4000 Meter Höhe. Eine sehr limitierte Anzahl Menschen darf täglich zu den Tieren. Eine Berggorilla-Tour kostet pro Person 1600 Franken, eine Stunde darf man mit den Tieren verbringen. Ein stolzer Preis.

Das stimmt. Damit soll der Schutz der Tiere gewährleistet werden, das ist der Regierung in den vergangenen Jahren auch gelungen. Die ­Population der Tiere wächst. Was ich persönlich schwierig finde ist, dass die einheimische Bevölkerung genau gleich viel zahlen muss, um die heimischen Berggorillas zu ­sehen. Das kann sich kaum jemand leisten.

Als du sechs Jahre alt warst, bist du mit mit deinen Eltern und den beiden Geschwistern nach Ruanda gezogen, hast zehn Jahre dort ­gelebt und bist nun seit drei Jahren wieder in der Schweiz. Wo ist deine Heimat?

Hier in der Schweiz. Ruanda war sicher eine Zeit lang meine Heimat. Aber in meinem jetzigen Alter feiert man ja auch gerne mal Partys. Das war in Ruanda eher schwierig. Wird’s mal lauter, steht die Polizei schnell wegen Ruhestörung vor der Tür. Hier kannst du abends um zehn noch schnell an eine Tankstelle gehen, etwas zu essen oder trinken kaufen, dich mit Freunden auf eine Wiese hocken und einen lustigen Abend verbringen. Das gibt’s in ­Ruanda so nicht. Das Leben spielt sich mehr in den eigenen vier Wänden ab. Ausserdem gibt’s vor allem in Zürich eine grosse Club- und ­Partyszene, die mir gefällt. Mir geht es hier gerade so richtig gut, ich werde erstmal bleiben, nach Ruanda zurückzugehen aber nicht ausschliessen. Vielleicht mal für ein Naturprojekt. Wer weiss? Als nächstes geht’s ins Militär, dann arbeite ich in der Zolliker Holzkooperation weiter. Was die Zukunft bringt, weiss ich nicht. Sie wird sicher gut.

In einer Woche ist Weihnachten. Wie wirst du die Festtage ­verbringen?

Die Festtage verbringe ich klassisch mit Familie. Mittlerweile ist meine gesamte Familie wieder aus Ruanda zurückgekehrt und lebt auch hier. Deshalb ist es besonders schön, ­dieses Jahr die Weihnachtszeit gemeinsam zu verbringen.

Mit Moritz Scholer sprach Antje Brechlin

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