Alte Tropfen halten jung

Béatrice und Edgar Gautschi-Giannini haben sich mit ihrer Weinsammlung einen Jugendtraum erfüllt und kamen damit auch gut durch den Lockdown.

Zum Altwerden haben Béatrice und Edgar Gautschi keine Zeit. Und es scheint, als wäre der Begriff «Unruhestand» eigens für das Zumiker Ehepaar erfunden worden. Schon einen Termin mit der 71-Jährigen und ihrem 82-jährigen Mann zu finden, gestaltet sich schwierig. Der Kalender ist eigentlich immer voll. Golf spielen, in die Zweitwohnung nach Arosa fahren, neue Weine probieren, tanzen, jassen, Jazzkonzerte, Opernbesuche und Enkelinnen hüten, und da ist da ja auch noch der Weinhandel, der Zeit beansprucht.

Aber der Reihe nach: Eigentlich kannten sich die beiden schon lange von der Freien Volksschule Trichterhausen. Aber man verlor sich aus den Augen. Beide heirateten, bekamen Kinder. Béatrice zwei Söhne, Edgar einen Sohn und zwei Töchter. Beide Ehen gingen auseinander. Als sich die Wahl-Zumiker zufällig 1976 in einem Geschäft am Neumarkt wieder trafen, ging es sehr schnell. «Es war eine sehr intensive Zeit», so Béatrice Gautschi. Zwei Jahre später kam der gemeinsame Sohn zur Welt, vier Jahre später heirateten sie. Edgar Gautschi arbeitete damals als Zahnarzt. Zunächst hatte er für zehn Jahre eine gemeinsame Praxis mit seinem Bruder, dann leitete er zwanzig Jahre lang eine Praxis in der Altstadt, ging schliesslich für weitere zehn Jahre an den Zürichberg. Béatrice war im pädagogischen Bereich tätig. Sie leitete lange eine Spielgruppe, setzte sich vehement für eine Tagesschule ein, war Lehrerin für musikalische Früherziehung und Blockflöte, war in der Schulpflege Zumikon – vier Jahre als deren Präsidentin. Sie bildete sich immer weiter, kümmerte sich als Assistentin in einer Küsnachter Schule um schwierige Kinder. «Der Umgang mit Kindern hält auch jung», lacht sie.

Vom Tennis zum Golf

Für beide galt schon immer: Sport gehört zum Leben. Edgar spielte lange Fussball, zusammen war später die ganze Familie auf dem Tenniscourt anzutreffen. Im Tennisclub Zumikon engagierte sich Edgar als Vorstandsmitglied, er war für den Gastrobereich und die Platzpflege zuständig.

Eine schwere Erkrankung von Béatrice Gautschi setzte dem ein Ende. Aber weil immer etwas rollen muss, hörten sie endlich auf Edgars Bruder und begannen mit dem Golfspiel. Edgar hätte schon vorher gerne den Schläger geschwungen. Aber: Golfen ist sehr zeitaufwendig. «Und ich wollte mit drei Kindern nicht den ganzen Tag alleine sein», erinnert sich seine Frau. Der Sohn wurde grösser und es ging gemeinsam aufs Grün. Und das nicht nur in ihrem heimischen Golfclub Breitenloo in Nürensdorf. Sie verbinden gerne das Schöne mit dem noch Schöneren. In dem Fall mit dem Reisen. So spielen sie auch in Italien, in Spanien, in Südafrika und den USA.

Flüge dorthin kommen jetzt aber erst mal nicht in Frage. Selber seien sie allerdings sehr gut durch die Zeit der Pandemie gekommen. Unter anderem mit einem täglichen Apéro. «Wir haben uns durch unsere ganze Sammlung probiert und ich kenne mich jetzt besser denn je in unserem Bestand aus», unterstreicht Edgar Gautschi. Er ist nämlich auch Weinliebhaber und -händler. Seit 50 Jahren interessiert er sich für den besonderen Traubensaft und hat mittlerweile eine beachtliche Sammlung. Im Jahr 2011 machte er aus dem Hobby seine Passion fürs Alter und gründete die GmbH «gautschiweine.ch». Daheim in Zumikon bietet er immer mal wieder kleinere Degustationen an und berät durch Weiterempfehlung. Das Angebot ist gross: Es gibt feine Tropfen aus der ganzen Welt. Doch sein Schwerpunkt liegt auf Weiss- und Rotweinen aus Spanien, Mallorca und dem Tessin. In Zumikon hat er ein grosses Lager, aber keinen Laden. Neu führt er zusätzlich in Arosa einen Shop, wo er eng mit einigen Restaurants zusammenarbeitet. «Und das hält mich jung», erklärt er seine Vitalität. Er erfüllt sich damit auch einen Jugendtraum. Eigentlich wollte er nach der Matura an die Hotelfachschule. Doch der Vater war dagegen und riet – selber Zahntechniker – zur Zahnmedizin. «Ich war auch gerne Arzt und lebe meinen Traum einfach jetzt aus.»

Der Blick aufs Etikett

Was einen guten Wein ausmache? «Er muss einfach schmecken und im Budget liegen», lacht der Fachmann. Er rät dem Laien, sich zunächst mal das Etikett genau anzusehen. «Gute Weine haben auch schöne Etiketten.» Dann empfiehlt er, die Beschreibungen wirklich genau zu studieren. Welche Charaktereigenschaften werden dem Wein zugeschrieben? Zu welchen Gelegenheiten wird er empfohlen? Er selber kann keinen Lieblingswein nennen. Es komme auf die Stimmung an, auf den Anlass, auf die Jahreszeit. Vielleicht auch auf die Gesellschaft. Zudem ändere sich im Laufe des Lebens auch der eigene Geschmack, ausserdem würden die Produzenten auch permanent an den Weinen arbeiten. «Gerade beim Rosé sehen wir eine enorme Entwicklung und Verbesserung.»

Grundsätzlich glaubt er, dass viele Weine zu früh getrunken werden. Dass sie geöffnet werden, ehe sie ihr volles Aroma entwickeln können. Einen Weinhandel zu führen, heisst nicht nur, zu Degustationen zu gehen und selber welche anzubieten. Das heisst auch, die Webseite zu pflegen, die Buchhaltung zu machen und viele Stunden am Computer zu sitzen. Deswegen sind Béatrice und Edgar Gautschi froh, dass ihr Sohn Daia Silvan zumindest teilweise mit ins Geschäft eingestiegen ist und sich um solche Bereiche kümmert.

Denn schliesslich braucht das Paar ja auch noch Zeit fürs Tanzen. Ob Standard oder Lateinamerikanisch sei egal. «Wir tanzen auch den Walzer links herum», lachen beide zusammen. Leider gebe es mittlerweile immer weniger Gelegenheiten, wo man auf die Tanzfläche schreiten könne. Aber bei einer so grossen Familie ist das nächste Fest vielleicht nicht weit. Und vielleicht kommt dann zum guten spanischen Tropfen der passende Paso Doble.