Der Zolliker Architekturstudent Nico Jeuch hat die Pläne für eine neue Primarschule in der Stadt Lamu in Kenia entworfen. Finanziert wird das Projekt «Mango Tree» hauptsächlich von der Almaawiya Foundation, welche sich für Schulprojekte in Kenia einsetzt. Auch die Gemeinde Zollikon unterstützt das Vorhaben mit einem finanziellen Beitrag.
«Nie hätte ich zu träumen gewagt, die neue Primarschule in Lamu wirklich realisieren zu können», erinnert sich Nico Jeuch. Denn als der 25-Jährige sich nach dem vierten Semester seines Architekturstudiums an der ZHAW in Winterthur entschliesst, ein Jahr lang eine Auszeit zu nehmen, weiss er noch nicht wirklich, wofür er diese einsetzen möchte. Zwei Wochen vergehen seit seinem Entschluss, als plötzlich sein Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung ist Karin Howell, seine Tante und Mitgründerin der Almaawiya Foundation: «Hättest du Lust, die Pläne für eine neue Schule in Lamu zu entwerfen?», fragt sie ihn. Nico Jeuch bejaht, ohne im ersten Moment gross weiter darüber nachzudenken.
«Im Nachhinein war es der perfekte Zeitpunkt, um mein Studium zu unterbrechen», sagt der Zolliker eineinhalb Jahre später freudig. Seine Stimme klingt so überzeugend, wie seine Pläne nun in Kenia, Stein um Stein, reale Formen annehmen. «Das Fundament ist bereits gebaut, auch die Wände sind in fortgeschrittenem Prozess. Das Schulhaus soll, wenn alles klappt, diesen Sommer bezugsbereit sein», freut sich der junge Projektleiter. Auch sein Bachelorstudium wird er bis dahin abschliessen können.
Keine Selbstverwirklichung
Doch alles der Reihe nach. Nico Jeuch wächst in Zollikon auf, wo er die Schule bis zur Sekundarstufe durchläuft und auch seine Hochbauzeichnerlehre absolviert. Im September 2016 beginnt er sein Architekturstudium in Winterthur. Er sowie auch sein Zwillingsbruder Lorenz begeben sich somit auf die Spuren ihres Vaters. Zwei Jahre später erhält Nico dank dem Anruf seiner Tante besagte Chance. Er lässt sich darauf ein und fliegt im August 2018 erstmals nach Kenia, wo er zehn Tage verweilt, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Zurück in Zollikon arbeitet er während zweier Monate an den ersten Entwürfen der Pläne, recherchiert, liest Bücher, davon auch viele über Hitzeschutz. Denn in Lamu, dieser durch einen Kanal vom Festland getrennten Insel an der Küste Kenias, brennt die Sonne beinahe das ganze Jahr über senkrecht vom Himmel. Mit ihren etwa 5000 Einwohnern ist die Stadt vergleichsweise klein, ihre Altstadt gehört jedoch zum Unesco-Kulturerbe. «Dort findet eine spannende Vermischung von heimischer Suaheli-Kultur mit orientalischen Einflüssen statt. Ich habe versucht, diese in den Entwurf der Schule einfliessen zu lassen», erklärt Nico Jeuch und fügt an, dass es ihm beim Bau nicht um Selbstverwirklichung gehe. Und das glaubt man ihm. Denn seine Zeit und Arbeit investiert er, wie alle Freiwilligen der Foundation, unentgeltlich.
Der Zolliker fliegt im Oktober 2018 nochmals für zwei ganze Monate zurück nach Kenia und taucht Tag für Tag mehr in diese für ihn bis anhin fremde Kultur ein. Er schaut sich diverse Schulen vor Ort an, sucht das Gespräch mit Einheimischen, holt Referenzen über regionale Bauunternehmer ein und tauscht sich rege mit einem spanischen Architekten aus, der bereits einige Projekte im Land realisiert hatte. «Diese Zeit war ein tolles Erlebnis, das mir sehr geholfen hat, den richtigen Bauunternehmer zu finden.» Der Jungarchitekt lernt schrittweise, wie das Bauwesen in Lamu funktioniert, knüpft wertvolle Kontakte. «Das richtige Netzwerk ist hier extrem wichtig. Auch die Verbindungen meiner Tante haben mir sehr geholfen, ohne die es wohl um einiges schwieriger geworden wäre.» Denn die in Deutschland ansässige Stiftung von Karin Howell – sie hat auch die Küsnachter Stiftung «Kids in Motion» gegründet – betreibt seit 2004 die bestehende Primarschule in Lamu.
Das Dach macht den Unterschied
Das Projekt «Mango Tree», in Anlehnung an die unzähligen Mangobäume in der Region benannt, umfasst neben zwei Schultrakten mit 14 Klassenzimmern auch ein Gebäude für die Administration, eine Küche mit Speisesaal, ein Handarbeits- und Werkgebäude, eine kleine Bibliothek, WC-Anlagen, ein Basketballfeld, einen Gemüse- und Obstgarten sowie Platz für eine Ziegenherde und einen Hühnerstall. Der gesamte Bau soll im November dieses Jahres fertiggestellt sein. Die Anlage auf dem 32 000 Quadratmeter grossen Grundstück ausserhalb des Zentrums von Lamu wird Platz für 360 Schüler bieten. «Die Konstruktion des Dachs ist für die Schule am wichtigsten», erklärt Nico Jeuch. Denn trotz zwingendem Schutz vor der Hitze müsse dieses genügend Licht ins Innere der Klassenzimmer lassen, da zu grosse Fenster diese ebenfalls überhitzen würden. Auch wäre direkter Lichteinfall unvorteilhaft für den Unterricht. So sieht der bereits gebaute Prototyp des Studenten sowohl geschlossene als auch offene Räume vor. Die Dachkonstruktion – bestehend aus Holzbinderbalken und Faserzement-Platten der Schweizer Firma Eternit – wird angehoben, wodurch stets ein Luftzug herrscht. «So staut sich die Hitze nicht und das Licht kann indirekt über die Öffnung zwischen Dach und Wänden dringen.» Diese bestehen aus Korallenblöcken, aus denen alle Häuser in der Region gebaut sind.
Architektur und Soziales
Finanziert wird das Projekt einerseits durch Spendengelder der Almaawiya Foundation, andererseits durch verschiedene Sponsoren. Über eine reguläre Bewerbung hat das Projekt zudem von der Zolliker Gemeinde einen Zuschuss von 8000 Franken erhalten. Dies entspricht etwa dem Wert eines Klassenzimmers in der künftigen Schule. An der letzten «Zolligala» hat Nico Jeuch zudem Gelder für die Einrichtung der Zimmer gesammelt.
Das letzte Mal auf der Baustelle war er im September 2019, im Juni dieses Jahres will er wieder nach Lamu reisen. «Ziel ist es, dass Ende Sommer die bisherige Primarschule ins neue Gebäude umziehen kann.» Das Coronavirus könnte aber auch ihm einen Strich durch die Rechnung machen. «Bis jetzt gibt es meines Wissens zwar keine bekannten Fälle auf der Insel und wir dürfen weiterhin bauen, auch wenn es bereits einige Restriktionen gibt und auch die Schulen momentan geschlossen sind», erklärt er. Wie lange die aktuelle Situation aber anhält, weiss niemand. Deshalb ist auch für ihn klar, dass sich die Fertigstellung der Schule nun verzögern könnte. «Die Gesundheit aller geht vor! Das habe ich auch klar so kommuniziert», sagt der Zolliker bestimmt. Über Bilder und Videos von der Baustelle hält er sich stets auf dem Laufenden und ist regelmässig in Kontakt mit dem ansässigen Bauleiter. «Wir werden nun schrittweise sehen, wie es weitergeht.»
Zurzeit schaut sich Nico Jeuch nach verschiedenen Master-Studiengängen um, wobei er eines weiss: Er will Architektur auch künftig mit sozialem Engagement verbinden. Denn in Kenia ist das Bildungssystem noch nicht einheitlich geregelt. «Das sogenannte spielbasierte Lernen kommt aber immer mehr auf. Dieses wollen wir auch beim Bau unserer Schule integrieren. Und wer weiss, vielleicht können wir dadurch sogar Pioniere für weitere Schulbauten werden!»
Mehr Informationen zum Projekt:
www.jeuch.ch oder auf Facebook: Almaawiya D.G.