38/2017 Jedes Grab erzählt seine eigene Geschichte

Jedes Grab erzählt seine eigene Geschichte

Am Tag des Friedhofs gab es viel Geschichtsträchtiges, aber auch viel Persönliches zu erfahren über den Ort des Friedens und der letzten Ruhe.

Er ist ein grosser grüner Park, aber einer, der mit seinen zahlreichen Grabmahlen eine grosse Ruhe ausstrahlt: Der Zolliker Friedhof ist ein Ort der Besinnung, ein Ort des Abschieds, eine Brücke in die andere Welt. Aber er ist auch eine grüne Oase – ein Ort der Erholung.
Umgeben von einem dezenten Farbenspiel steht Bernhard Ecklin in der Abdankungshalle, deren 350 quadratische Glasscheiben in zarten Pastellfarben eingefärbt sind. Der Gemeinderat begrüsst die ­Anwesenden, die sich in diesem würdigen, für Abdankungsfeiern bestimmten Raum zusammengefunden haben. Für einmal wird aber nicht einem Verstorbenen gedacht, sondern steht der Friedhof selber im Zentrum. Denn am dritten Wochenende im September findet der Tag des Friedhofs statt, zu dem die Gemeinde Zollikon nun auch eingeladen hat. Ziel des Tages ist es, Friedhöfe als kulturelle Orte der letzten Ruhe und des Abschiednehmens, aber auch als grüne ­Oasen zur Erholung ins Bewusstsein zu rufen und die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Leben, Tod und Trauer anzuregen. «Das Betreten eines Totenackers soll von Respekt, nicht aber von Hemmungen begleitet werden», sagt Bernhard Ecklin, der zuvor er aus den Forschungen von Martin Hübner und Emil Walder selig zitierte. Die beiden sprachmächtigen Zolliker haben die Friedhöfe im Zollikerberg und Zollikon erforscht und in den Zolliker Jahrheften beschrieben.

Erinnerungen von gestern helfen für morgen

Für sie gehörte der Friedhof schon immer zum Leben, erzählt die ­reformierte Pfarrerin Anne-Käthi Rüegg-Schweizer, die wie ihr katholischer Kollege persönliche Erinnerungen vortrug. Aufgewachsen gleich oberhalb des Friedhofs Horgen habe sie auf das Grab ihrer Grossmutter geblickt und dieser
oft selbstgepflückte Blumen vor­beigebracht. Ein Friedhof habe für sie noch nie etwas Beklemmendes gehabt und heute als Pfarrerin wisse sie, dass er für viele ein ganz wichtiger Ort ist. «Gräber erzählen Geschichten, Erinnerungen gehen durch den Kopf, schöne, kostbare Momente, die so verschiedenartig sind wie die Fenster der Friedhofshalle.» Ein Friedhof könne aber auch Kraft geben für Auseinandersetzungen. Solche Gespräche, die oft im Stillen, aber auch mal laut schluchzend am Grab des Verstorbenen geführt würden, seien wichtig: «Erinnerungen von gestern können helfen, den morgigen Tag zu gestalten.»  Pfarrer haben die Aufgabe, Trauerfamilien beim Abschied eines geliebten Menschen zu begleiten. Die Beisetzungszeremonie am Grab sei hierbei ein besonders schwieriger Moment. Denn am Tag der Beerdigung werde vielen erst bewusst, dass der Abschied für immer, das Leben eines Menschen vergänglich ist. Die beiden Pfarrpersonen erzählten, dass hin und wieder auch Spannungen aus ungeklärten Beziehungen bei Beerdigungen auftreten würden. Dankbar sind sie für die verschiedenen Rituale, für die Kerzen, Briefe, Steine oder Rosenblätter, die häufig mit ins Grab gelegt werden. «Solche Bräuche haben eine grosse Bedeutung», sagte Anne-Käthi Rüegg-Schweizer und wandte sich damit Heinz Meier zu, auf den sie fast etwas neidisch sei, da es bei den Katholiken noch mehr solcher Rituale gebe. Der katholische Pfarrer unterstrich ebenfalls die Wichtigkeit der Rituale, denn die Trauer brauche ein Gefäss. «Auch ein Gebet kann helfen», sagte er, denn Rituale gäben Form, Gestalt und Halt. Der Tod gehöre zwar zum Leben, häufig könne dieser aber nicht einfach bejaht werden, denn das Herz fühle anders. «Jeder habe das Recht darauf, seiner Trauer Ausdruck zu verleihen», sagte der katholische Pfarrer. Beim anschliessenden Rundgang auf dem Friedhof zeigte sich, wie liebevoll gestaltet von den Hinterbliebenen, aber auch von den Friedhofsgärtnern dieser Ort der Trauer daherkommt und wie sich die Bestattungskultur verändert hat. (mmw)