17/2016 Zwischen Gemeinderat und grosser, weiter Welt

Zwischen Gemeinderat und grosser, weiter Welt

Familie, Beruf, Politik, Sport – diese vier Bereiche waren Reto Caprez immer wichtig. Die Geschichten und Erinnerungen des Zumiker Seniors würden Bände füllen.

94 Jahre alt ist Reto Caprez, doch jede Jahreszahl seines intensiven Lebens kommt wie aus der Pistole geschossen. Seit fünfzig Jahren lebt er in Zumikon und hat die Geschichte der Gemeinde mitgeprägt. Seine Augen leuchten, wenn er sich an das Projekt «Neugestaltung Dorfplatz» erinnert und an den damaligen Gemeindepräsidenten Max Walt. «Sein erster Coup war es, dass die Forchbahn unterirdisch verlaufen sollte. Walt hatte die Gemeinderäte in sein Haus in den Bergen eingeladen und überzeugt», weiss Reto Caprez noch, der selbst erst 1978 in den Gemeinderat rückte. Mit dem Vorschlag gelangte man an den Kanton. «Die haben nur gesagt, wir seien doch verrückt», lacht der Senior. Zumikon musste die neue Linie selbst finanzieren, was nur möglich war, weil es damals noch keinen Finanzausgleich gab. Reto Caprez, der als Liberaler bis 1990 im Gemeinderat sass, weiss aber auch noch, wie Max Walt «unterging». Sein Vorschlag, den Dorfplatz mit Hotel und Altersheim zu bebauen, wurde abgelehnt. Walt warf das Handtuch, und es war an Reto Caprez, für Elisabeth Kopp als Nachfolgerin zu werben. «Eine Frau als Gemeindepräsidentin, das konnten sich viele Bauern überhaupt nicht vorstellen», erinnert sich der Zumiker.

Kegelbahn statt Öltank

Eine besondere Herausforderung war für den Ingenieur und seine Mitstreiter die Energieversorgung. Geplant war ein 300-Tonnen-Öltank unter der Kapelle «Bruder Niklaus». «Wir waren damals nicht besonders grün, aber so eine Umweltbelastung wollten wir nicht», führt Reto Caprez aus. Er setzte sich für eine Versorgung durch Wärmepumpen ein, die unter dem Lehrschwimmbecken am Juch untergebracht wurden. Alle öffentlichen Gebäude – Gemeindehaus, Kirche, Schulhäuser, Badi und Chindsgi – werden seither über isolierte Leitungen so geheizt. Dort, wo der Öltank hinkommen sollte, befindet sich heute die Kegelbahn. Wenn der 94-Jährige sich an diese Zeit erinnert, leuchten seine Augen. Er hat das Leben mitgestaltet, hat sich engagiert. Dabei ist er eigentlich durch Zufall in Zumikon gelandet. Nach Jahren in den USA und in Italien, wo er als Maschineningenieur tätig war, sollte es zurück in die Schweiz gehen, Zürich war angedacht. «Doch mein Schwiegervater empfahl uns, in Zumikon zu bauen», erinnert sich Reto Caprez, «das war eine gute Idee».

Seine berufliche Karriere begann aber viel früher in Winterthur, wo er mit nur 15 Jahren die Lehre anfing. Eine Zukunft im elterlichen Betrieb in Arosa sah er nicht. Nach der Ausbildung folgte das Studium, anschliessend ging es nach Genf. Dort wollte er eigentlich nur Französisch lernen, lernte aber auch seine Frau Barbara kennen. Das Glück über diese Ehe ist in jedem seiner Worte zu spüren. Barbara, die in Amerika aufgewachsen war, folgte «ihrem» Reto nur zu gern in die USA, wo der Ingenieur für General Electric arbeitete. Für das Unternehmen ging er im Rahmen des Marshall-Plans auch nach Italien, wo er thermische Kraftwerke baute.

Segeln und Ski fahren

Später wurde die Maschinenfabrik Oerlikon sein berufliches Basislager. Von dort ging es nach Spanien und Frankreich, später auch nach Südafrika und Mexiko. Doch nicht nur durch seinen Beruf bekam er viel von der Welt zu sehen, dazu trug auch der Sport bei. Bald teilte er die Leidenschaft seiner Frau fürs Segeln. Beide machten die erforderlichen Wasser-Führerscheine und waren mit Freunden in der Ägäis oder auch mal in der Karibik unterwegs. «In die Ägäis habe ich meine Familie auch zu meinem 80. Geburtstag eingeladen», fällt Reto Caprez beim Erzählen ein. Doch zurück zum Sport. Natürlich fährt er auch Ski, unzählige Touren hat er gemacht, später dann Langlauf. Nebenbei erwähnt er, dass er elfmal den Engadin Skimarathon mitgelaufen ist und einmal sogar schneller als die eigene Tochter war. «Ich hatte wohl die besseren Skier», lacht er. Die Töchter, die Ehefrau und die vier Enkelkinder spielen eine grosse Rolle in den Erinnerungen des Seniors, der mit Frau Barbara mittlerweile glücklich im Zumipark wohnt. Doch seine Interessen gehen weit über diesen Horizont hinaus. So engagierte er sich schon früh im Service-Club Kiwanis, wurde 1994 sogar leitender Governor und reiste nach Indianapolis ins Hauptquartier des Clubs. Noch immer nimmt er regelmässig an Veranstaltungen teil. Über das Leben des Reto Caprez – von der Überfahrt mit der SS America nach New York bis zu seiner letzten grossen Skiabfahrt als über 80-Jähriger vom Persgletscher zum Morteratschgletscher – könnte man ein ganzes Buch schreiben. Und genau das hat eine Tochter getan. Zum 90. Geburtstag von Barbara Caprez legte sie eine Biografie des Paares auf. «Ein bewegtes Leben» heisst sie – und das trifft die Lebensgeschichte von Reto und Barbara Caprez im Kern. (bms)