16/2015 Frauenpower

Frauenpower

Im neu gewählten Kantonsrat sitzen so viele Frauen wie noch nie. Unter ihnen auch zwei Zollikerinnen. Neben der Wiederwahl der Gemeindepräsidentin Katharina Kull-Benz hat auch Esther Meier den Sprung ins Zürcher Parlament geschafft.

Küsschen hier, Küsschen da. Das Sechseläuten genoss die Gemeindepräsidentin Katharina Kull-Benz nicht nur aufgrund des strahlend schönen Wetters, sondern auch wegen der zahlreichen Gratulationen, die sie entgegen nehmen durfte. «Dass mich so viele Leute auf meine Wiederwahl ansprechen, hätte ich nicht gedacht», sagt sie erfreut. Es zeige auch, dass die Wahlen vielerorts wahrgenommen wurden – und das trotz der tiefen Stimmbeteiligung von knapp 33% im ganzen Kanton. Im Bezirk Meilen sieht die Situation mit einer Wahlbeteiligung von 39% auf den ersten Blick zwar etwas besser aus, doch der Schein trügt: Noch nie gingen weniger Wähler bei den Kantonsratswahlen an die Urne, die Beteiligung ist erstmals auf unter 40% gesunken. In Zollikon sank die Beteiligung um 5,2 Prozent auf 37, 9. Nur in Hombrechtikon und Oetwil am See gingen im Bezirk noch weniger wählen. Die grosse Gewinnerin der kantonalen Wahlen ist nach wie vor auch die wählerstärkste Partei in Zollikon: Die FDP kommt auf einen Anteil von 39, 4%, um ganze acht Prozent hat die Partei in der Gemeinde zugelegt. Ihren Stimmenanteil noch höher ausgebaut haben die Freisinnigen im Bezirk Meilen nur in der Gemeinde Erlenbach, wo sie gar um 10,3 Prozent zulegen konnten. Am meisten Wähler verloren haben in Zollikon die Grünliberalen (-4%) und Grünen (-2,7%) – jene Umweltparteien also, die im ganzen Kanton schlecht abgeschnitten und viele Sitze verloren haben.

Im Bezirk Meilen holte sich die FDP als einzige Partei auf Kosten der EDU einen zusätzlichen Sitz und hat nun wie die SVP vier Sitze im Kantonsrat. Insgesamt haben die Freisinnigen acht Sitze gewonnen. «Die sechs bei den letzten Wahlen verlorenen Sitze haben wir mehr als wett gemacht», freut sich Katharina Kull-Benz und nennt als Gründe die in den Medien bereits breit diskutierten Themen des nachlassenden Fukushima-Effekts und des wachsenden Vertrauens in eine Wirtschaftspartei.
Die Gemeindepräsidentin, die seit dem Nachrücken ihres Parteikollegen Beat Walti in den Nationalrat vor einem Jahr die einzige Zolliker Vertretung im Kantonsrat war, erhält wieder Unterstützung – wenn auch politisch von der anderen Seite. Die Sozialdemokratin Esther Meier wird als eine von insgesamt zwei Neuen aus dem Bezirk neben den elf Bisherigen in den Kantonsrat einziehen. Die Verwaltungsassistentin aus dem Zollikerberg ist auf dem zweiten Listenplatz ihrer Partei gestartet und hoch erfreut über ihre Wahl. Trotz guter Platzierung, siegessicher sei sie sich nie gewesen. Einen Grund dafür sei sicher der Kandidat direkt hinter ihr gewesen: Raffael Mörgeli, Neffe des SVP-Nationalrats Christoph Mörgeli, Präsident der SP Stäfa und Sekretär der JUSO Kanton Zürich. «Medial erhielt er natürlich am meisten Beachtung», sagt Esther Meier, die sich davon aber nicht abschrecken liess. «Ganz oder gar nicht», habe sie sich gesagt und ihre Bekanntheit im Bezirk mit vielen Stand- und Morgenaktionen, mithilfe der sozialen Medien und einer eigenen Homepage gesteigert. Eine breite Unterstützung – ein Blick auf die Stimmenherkunft zeigt, dass die Sozialdemokratin häufig panaschiert und kumuliert wurde – hat sich Esther Meier sicher auch durch ihr Engagement für die Kultur gesichert: Seit über zehn Jahren organisiert sie zusammen mit ihrem Ehemann und einem befreundeten Ehepaar Kulturabende bei sich zuhause.

Kopf an Kopf-Rennen

4600 Stimmen hat die Zollikerberglerin geholt und damit Rafael Mörgeli um 41 Stimmen übertrumpft. «Ich hätte den Sieg auch Rafael gegönnt», sagt sie und lobt die gute Zusammenarbeit mit dem jungen Stäfner. Im Kantonsrat freue sie sich neben der wunderschönen Lage des Rathauses direkt am Limmatquai, wie sie schmunzelnd sagt, vor allem auf die breite Themenvielfalt. «Alle Bereiche des Lebens spielen im Parlament mit.» Im Gesundheitswesen ist die 63-Jährige zuhause, während ihres ganzen Berufslebens hat sie in diesem Bereich gearbeitet. Heute ist sie leitende Angestellte des Universitätsspitals und des Zahnärztlichen Institutes der Universität Zürich. Auch Bildungsfragen gehören zu ihren Schwerpunkten: In der Zolliker Schulpflege wirkte sie vier Jahre mit, ehe sie vor einem Jahr im Rahmen der Verkleinerung als überzählig ausschied. Esther Meier wäre prädestiniert für die Kommissionen für Bildung und Kultur oder jene für soziale Sicherheit und Gesundheit, und auch die Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt würde sie reizen, wie sie sagt. Ihren Arbeitsweg vom Zollikerberg an die Uni legt sie täglich mit dem Velo zurück. «Ich lasse mich überraschen, was alles auf mich zukommt und wo ich überall mitarbeiten darf», sagt sie voller Vorfreude auf ihre erste Kantonsratssitzung im Mai.

Kirchenratskandidatur

Wie der Hase dort läuft, weiss die Gemeindepräsidentin genau. Seit 2003 ist Katharina Kull-Benz Mitglied des Kantonsrats. Die Revision des Gemeindegesetzes sei zurzeit das für sie wichtigste Geschäft, deren Verabschiedung stehe kurz bevor.

Ob die vierte Amtszeit zugleich ihre letzte sei, darüber lässt sich die Freisinnige noch nichts entlocken. Für sie heisst es jetzt sowieso: Nach der Wahl ist vor der Wahl – die Freisinnige tritt auch an den Erneuerungswahlen des Kirchenrates vom 15. September an. (mmw)