14/2015 Die Vielfalt der Natur schätzen und erhalten

Die Vielfalt der Natur schätzen und erhalten

Mira Langegger hält sich in ihrer Freizeit am liebsten im Garten auf. Deshalb entschloss sie sich vor einigen Jahren, auch beruflich mehr Zeit im Grünen zu verbringen. Als «Samenbibliothekarin» kümmert sie sich bei der Stiftung ProSpecieRara um die Vielfalt von Garten-, Acker- und Zierpflanzen und hilft so, seltene Sorten vor dem Aussterben zu bewahren.

Es ist Freitagnachmittag. Die Sonne scheint. Umgeben von viel Grün sitzt Mira Langegger auf der Sitzbank im Garten ihres Zuhauses im Zollikerberg. Im Garten verbringt sie den grössten Teil ihrer Freizeit. Sie ist umgeben von Bäumen, Pflanzen, Wiesen und einem Gemüsebeet. Ein leeres Holzhäuschen steht auf der Wiese. «Das ist für die Hühner», lacht Mira Langegger; es ist ihr neuestes Projekt. Seit sie 15 Jahre alt ist, habe sie sich gewünscht, Hühner zu halten. Nun will sie ihren lang gehegten Traum in die Realität umsetzen; sie wird Eier mit einem Brutapparat ausbrüten und die Küken im Garten ziehen. Darauf freut sie sich schon.

Mira Langegger probiert gerne Neues aus. Das brachte sie auch dazu, beruflich eine Wende zu vollziehen, weg von Bürojobs hin zu einem Beruf, der sie mehr in die Natur führte. Seit vier Jahren arbeitet sie als «Samenbibliothekarin» für die Stiftung ProSpecieRara. Die Stiftung setzt sich für die Erhaltung und Förderung der alten Kulturpflanzensorten und Nutztierrassen ein. Deshalb verfügt die Organisation auch über eine Sammlung alter Pflanzensorten, welche über Samen vermehrt werden und in einer «Bibliothek» eingelagert sind. Mira Langegger ist dabei für 1500 Sorten von Garten-, Acker- und Zierpflanzen zuständig. Sie ist für das Saatgut-Management verantwortlich, organisiert die Vermehrungen, instruiert, berät, gibt Pflanzenkurse und managt den Anbau und die Ernte der Sorten. Zum Teil sind dies so selten gewordene Arten, dass sie akut vom Aussterben bedroht sind. «Es ist deshalb wichtig, diese regelmässig anzubauen und das Saatgut zu ernten, weil dieses nicht ewig keimfähig ist», erklärt sie. Ein Teil wird in Gärten der Stiftung selbst gepflanzt. Aber der meiste Anbau läuft über freiwillige Helfer.

Auf Umwegen zum heutigen Beruf

Mira Langegger zog 2008 nach Zollikerberg. Ihre Schwester wohne gleich um die Ecke; sie sei schon vor ihr hierher gezogen und habe ihr den Umzug in die Gemeinde nahegelegt. Mira Langegger ist im Zürichberg aufgewachsen. Sie absolvierte das KV und arbeitete danach in der Modebranche, später in der Papierindustrie und als Direktionssekretärin am Institut für Pharmakologie der Uni. Auf dem zweiten Bildungsweg machte sie die Matura. Als ihr Chef an der Uni in Pension ging, war es auch für sie an der Zeit, Bilanz zu ziehen: «Das war der Moment, an dem ich mich fragte: ‹Was mache ich jetzt?›» Nun mache sie etwas für sich, habe sie sich gesagt, etwas, das sie wirklich interessiere. «Im Garten zu arbeiten, war immer schon meine Leidenschaft», lächelt sie. Also entschloss sie sich, in Wädenswil ein Studium in Umwelttechnologie in Angriff zu nehmen. Schon während des berufsbegleitenden Studiums absolvierte sie ein Praktikum bei ProSpecieRara. Gleich nach dem Abschluss fand sie dort eine Stelle. Sie ist sehr zufrieden mit ihrer Arbeit. Deshalb macht es ihr auch nichts aus, drei bis viermal pro Woche an ihren Arbeitsort nach Basel zu pendeln. Bereuen, dass sie nicht schon vorher diesen Weg gewählt hat, tut sie nicht. Berufserfahrung sei immer gut; sie habe viel gelernt und wertvolle Erfahrungen auch in anderen Gebieten gesammelt.

Den Nerv der Zeit getroffen

Eines der Projekte, an denen Mira Langegger nun arbeitet, ist das Projekt «Stadt-Tomaten». Dieses zählt auf die Teilnahme der Bevölkerung. Samen von 50 seltenen Tomatensorten konnten bei der Stiftung bestellt werden; sie werden den Tomaten-Liebhabern gratis zugeschickt, mitsamt einer Anleitung, wie man die Tomaten am besten zieht und im Sommer wieder Samen daraus erntet. Zum Abschluss findet am 6. September auf dem Bürkliplatz das «Stadt-Tomaten-Fest» statt; hier können die Helfer ihre Samen gegen andere Sorten tauschen und verschiedenste Tomatensorten degustieren. «Die Vielfalt ist faszinierend und schön», findet Langegger. «Wir wollen damit zeigen, dass es nicht nur rote, runde Tomaten gibt.» Es gebe gelbe birnenförmige, grüne, orange, kleine und grosse Tomaten. Mit verschiedenfarbigen Tomaten sehe auch ein Tomaten-Mozzarella-Salat ganz anders aus. «Es gibt weltweit zwischen 8’000 und 10’000 Tomatensorten. Was wir in den Läden vorfinden, ist eigentlich armselig.» Die grossen Saatgutfirmen bringen heute primär Hybridsorten auf den Markt, die vor allem ertragreich sein müssen. Durch den Fokus auf diese wenigen Sorten geht auch die genetische Vielfalt verloren. «Die Natur stellt uns so viel zur Verfügung. Es ist schade, dass wir so blind sind und vieles nicht sehen», bedauert Langegger.

Das Projekt «Stadt-Tomaten», das seit 2012 durchgeführt wird, sei auf ein «Riesen-Echo» gestossen, erzählt sie. Auch die Tomatensamen für dieses Jahr, die bis zum 22. März bestellt werden konnten, seien alle schon weg. «Ich denke, es trifft den Nerv der Zeit», meint Langegger. Auch Menschen, die in der Stadt wohnen, wollen gerne auf ihrem Balkon ein Stück Natur haben.

Mit dem Boden in Kontakt

Auf einem Balkon begann auch Mira Langeggers erster Kontakt mit Pflanzen. Schon als Kind, damals bei den Eltern im Zürichberg, habe sie gerne gepflanzt. «Wir hatten einen grossen Balkon. Dort habe ich alles ausprobiert, manchmal zum Leidwesen der Familie. Vom Feigenbäumchen bis zu Melonen: Ich fand’s toll.»

Auch neben ihrer Arbeit nimmt sie sich heute Zeit für den eigenen Garten. «Ich laufe abends immer noch einmal durch den Garten», lächelt sie. Die ersten Salate sind gesetzt, Tomaten und Kohlrabi stehen noch an. «Mir gefällt vor allem, mit dem Boden in Kontakt zu sein und Sachen beim Gedeihen zuzusehen.» Sie pflanze gerne Gemüse an, denn auch Ernten mache ihr Spass. «Ich finde es schön, etwas davon zu haben», lacht sie. Deshalb freut sie sich auch schon, wenn die Hühner dann in ihrem Gehege gackern und sie ihr Frühstücksei frisch aus dem Hühnerstall im Garten holen kann. (sb)