Mit dem Duft der Welt vertraut
Nach Zollikon kam Marie-Claude Arbenz zufällig. Auch wenn es ihr hier gefällt, ewig wird sie dennoch nicht bleiben. Die Welt zu entdecken, wurde ihr in die Wiege gelegt.
Sie bezeichnet sich selber als ein klein wenig verrückt. Oder, wie sie es zu sagen pflegt, «out of the mainstream». Oft wechselt die 48-Jährige mit dem starken französischen Akzent ins Englische. Das hat – genau wie ihre Selbsteinschätzung – viel mit ihrem Lebenslauf zu tun.
Marie-Claude Arbenz’ Eltern kommen aus dem Welschland, bevor sie aber selbst dort lebte, verbrachte sie mehrere Jahre im Ausland. Geboren im Iran, folgten weitere vier Jahre in Moskau, für kurze Zeit war sie in Bern, dann in Lissabon und als Jugendliche schliesslich an der Elfenbeinküste zuhause. Marie-Claude Arbenz ist Diplomatentochter. Sie sagt es nicht ohne Stolz. Ihr Vater, Jean Olivier Quinche, war Ende der Sechziger Jahre bis Mitte Neunziger Jahre Diplomat in Moskau und anschliessend Schweizer Botschafter in Abidjan, Pretoria, Tel Aviv sowie in Warschau. Sein Weg vom Mitarbeiter des dazumal Eidgenössischen Politischen Departements EPD (heutiges EDA, Eidgenössisches Amt für auswärtige Angelegenheiten) zum Diplomat führte die Familie Quinche in zahlreiche Länder, Städte und Kulturen. Eine Erfahrung, welche die heutige Wahl-Zollikerin auf keinen Fall missen möchte. Natürlich sei es nicht immer einfach gewesen. Die häufigen Schulwechsel. Das Zurücklassen von Freunden. Der stetige Neuanfang. Und dennoch: «Ich kann mich heute problemlos anpassen», sagt die aufgestellte Blondine, deren Muttersprache Französisch ist und die ausgenommen von Afrika auch immer französische Schulen besuchte, «es ist die Kraft, die mir das Leben meines Vaters gab.» Von den verschiedenen Ländern und den unterschiedlichen Kulturen, die sie kennenlernen durfte, erzählt sie nur positiv. Aber auch ehrlich. «Natürlich waren wir als Diplomatenkinder immer etwas Besonderes», oft hätten sie abgeschirmt gelebt, teils auch mit einigen Bediensteten, immer gut situiert. Die Personen, die sie durch ihren Vater getroffen hat, bezeichnet sie als mächtig und interessant. Heute würden ihr solche Kontakte fehlen, sagt sie, und reflektiert laut: «Bin ich vielleicht zu exotisch?»
Ein Herz für Tiere
In der Schweiz absolviert Marie-Claude Arbenz als junge Erwachsene die französische Matur, studiert Recht, verlässt das Studium aber frühzeitig, als ihr eine Stelle im Bereich Marketing und PR angeboten wird. Mit 22 trifft sie ihren Mann, lebt mit ihm ein Jahr in Zürich, wo Tochter Chloé auf die Welt kommt, bevor die Familie Berufes halber für fünf Jahre nach Texas zieht.
In Amerika stösst Sohn Mick zur Familie. Neben Haushalt und Kindern kümmert sich Marie-Claude Arbenz auch um verwahrloste oder misshandelte Tiere, engagiert sich in einem Verein, der sich für Hunde und Katzen einsetzt. «Ich war schon immer eine grosse Tierliebhaberin», sagt sie und vergleicht ihr Engagement mit demjenigen Brigitte Bardots, die sich nach ihrem Rückzug aus dem Filmgeschäft als prominente Tierschützerin positionierte.
Zurück in der Schweiz – und für einmal war Marie-Claude Arbenz froh darüber, denn die Texaner empfand sie als distanziert und oberflächlich – lebt die Familie Arbenz zusammen mit Mischlingsrüde Champ, den die Tierfreundin aus Texas mitgenommen hat, fortan in Zürich.
Nach 10 Jahren Ehe kommt es zur Scheidung. Die darauffolgenden Jahre bezeichnet Marie-Claude Arbenz als schwierig und schmerzvoll. Nicht nur mit der neuen Situation habe sie sich zurechtfinden müssen, auch eine Arbeit musste sie suchen. Zu Nutze machte sie sich dabei ihre Mehrsprachigkeit, die ihr bereits mit 19 Jahren an der Universität Lausanne die Möglichkeit gab, als Privatlehrerin einen Pfarrer aus Costa Rica zu unterrichten.
Heute arbeitet sie als Freelancerin und unterrichtet Französisch, Englisch und Portugiesisch für Firmenkunden. Ob Anwaltskanzlei, Bank, Fluggesellschaft oder Medienhaus, Marie-Claude Arbenz’ Schüler kommen aus den unterschiedlichsten Branchen, bringen die verschiedensten Hintergründe mit. Genau das liegt ihr, der Kontakt mit Menschen sämtlicher Couleur, das ist es, was sie liebt und schätzt. «Viel zu oft haben die Menschen Berührungsängste», meint sie, besonders treffe dies auf Schweizer zu. Obwohl sie selbst den roten Pass besitzt, fühle sie sich viel mehr als Französin. Einst in Südfrankreich zu leben, ist ihr grosser Traum.
Gewürze aus der ganzen Welt
Hinter Bücher setzt sich Marie-Claude Arbenz aber nicht nur fürs Unterrichten, auch sonst verbringt sie viele Stunden ihres Lebens zwischen Buchdeckeln. Lesen ist neben Backen ihre grosse Leidenschaft. Ob Aristoteles, Platon, Nietzsche oder Krishnamurti, von philosophischen Werken könne sie kaum genug kriegen. «Ich habe verrückt viel gelesen.» Bücher bezeichnet sie als beste Therapie. Sie selber sei tief romantisch, über die Liebe zu lesen, sei fast so schön, wie sie selbst zu erleben. Dass Amors Pfeil sie nochmals getroffen hat, habe sie ebenso überrascht wie glücklich gemacht. «Nie hätte ich gedacht, mich nochmals in einen Schweizer zu verlieben», lacht sie, doch unverhofft kommt oft – heute ist sie wieder mit einem liiert. Ihr Freund, ein Zahnarzt mit ungarischen Wurzeln, der auch eine Wohnung in Budapest besitzt, jette ebenso gerne in der Welt herum wie sie. Das sei mitunter wohl auch der Grund, den sie zusammengebracht habe. «Ich freue mich, mit ihm noch möglichst viel von der Welt zu sehen.» Denn ob Madagaskar, Sansibar oder Vietnam, für die einstige Diplomatentochter gibt es noch viele Länder, die sie entdecken will. Bis es soweit ist, geniesst sie ihr Leben hier in Zollikon mit ihren Kindern und ihren Hunden und reist in ihren kulinarischen Blogs, die sie ebenso verschlingt wie literarische Werke. Ihre Gewürzeküche – nie käme es Marie-Claude Arbenz in den Sinn, für Gäste schweizerisch zu kochen – brachte sie jüngst auf eine neue Idee. Sie möchte eine Backschule auf Französisch eröffnen. Denn wo lasse es sich besser debattieren, philosophieren und in Erinnerungen schwelgen als hinter Kochtöpfen und danach am Esstisch? (mmw)