45/2014 Wie viel Zuwanderung verträgt die Schweiz?

Wie viel Zuwanderung verträgt die Schweiz?

Sie ist die zurzeit am heissesten diskutierte Abstimmungsvorlage und auch in Zollikon gab sie einiges zu reden: Die EVP lud am Mittwochabend zur Podiumsdiskussion über die Ecopop-Initiative.

Die Initiative spalte Parteien, Verbände und Organisationen quer durchs Land, begrüsste Felix Wirz im Namen seiner Partei die knapp 30 Anwesenden im Kirchgemeindehaus  und auch bei ihnen sei es nicht anders. Der Vorstand der Zolliker EVP wird am 30. November unterschiedlich über die Initiative des gleichnamigen Vereins, dessen Namen die Begriffe  «écologie» und «population» zu «ecopop» fusioniert hat, abstimmen. Klar gemacht waren die Meinungen auf dem Podium, der parteilose Ständerat Thomas Minder legte sich zusammen mit Alt-Nationalrat Ruedi Aeschbacher (EVP) für die Initiative ins Zeug, auf der Gegenseite diskutierten Thomas Hardegger, SP-Nationalrat, flankiert von Hans-Peter Fricker, dem ehemaligen Chef von WWF Schweiz. Zum offenen und sekundenschnellen Schlagabtausch kam es am Mittwochabend im reformierten Kirchgemeindehaus nicht, vielmehr wurde den Vertretern aus Politik und Wirtschaft Zeit gelassen, ihre Argumente darzulegen, was diese auch mehrfach taten.

Diskussion über Wachstum angebracht

Ruedi Aeschbacher bezeichnet die Ecopop-Initiative als «wichtig und dringend», deshalb habe er, der sich nach 40 Jahren aus der aktiven Politik zurückgezogen hat, sich für das Unterstützungskomitee aufstellen lassen.  Die Schweiz, eines der am dichtesten besiedelten Länder Europas, könne nicht vergrössert werden, um keinen einzigen Quadratmeter. Weil die Bevölkerung zu wesentlichen Einschränkungen ihrer Lebensqualität nicht bereit sei, müsse beim Bevölkerungswachstum angesetzt werden. Mit der Beschränkung von 0,2 Prozent Zuwanderung pro Jahr, wie es die Initiative vorsieht, könne der «Dichtestress entschärft und die Zupflasterung verhindert werden.» Dass der Raum in der Schweiz begrenzt ist, bestritt Hans-Peter Fricker nicht.  Auch greife die Initiative mit dem Bevölkerungswachstum ein Thema auf, das diskutiert werden müsse. Das Problem jedoch sei, dass sie keine Lösungen aufzeige. «Die Umwelt wird von unserem Wohlstand und unseren Ansprüchen beeinträchtigt und nicht durch die Ausländer.» Notwendig sei eine Senkung des Pro-Kopf-Verbrauchs durch intelligente Raumplanung und Anreize für den sparsamen Energiekonsum. Thomas Hardegger findet es «anmassend und überheblich, dass die dritte Welt unsere Ressourcenprobleme regeln muss».  Es sei richtig, sich über die Bevölkerungsentwicklung Gedanken zu machen, das Wachstum müsse aber kontrolliert und nicht gebremst werden. Ganz anders Thomas Minder, ihm graue es, wachse die Bevölkerung ungehindert weiter, er wolle ganz klar keine «12-Millionen-Schweiz im Jahr 2050». Die Runde kam auch immer wieder auf die im Februar angenommene Masseneinwanderungs-Initiative(MEI) zu sprechen. Thomas Minder sieht die Ecopop-Initiative als Ergänzung dieser um «wichtige, konkrete Zahlen, die fix sind und keinen Spielraum lassen», für Hans-Peter Fricker wird mit der MEI bereits etwas für die Dämpfung der Zuwanderung gemacht, mehr Instrumente brauche es nicht. Diese neue Initiative sei zu extrem, bei einer Annahme würde für die junge Generation und die Wissenschaft vieles kaputt gemacht.

Perspektiven schaffen

Dass der Bund mindestens zehn Prozent seiner Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit in die freiwillige Familienplanung investieren soll, so die zweite Forderung der Ecopop-Initiative, empfindet der ehemalige CEO von WWF Schweiz als Verschwendung von Steuergeldern. «Die 150 Millionen werden besser ins Gesundheits- und Bildungswesen sowie in sauberes Wasser investiert», riet er, «der Nachwuchs wird in Drittweltländern als Sicherung der eigenen Zukunft gesehen, die Geburtenrate geht erst zurück, wenn das Bildungs- und Einkommensniveau angehoben wird.» Auch Thomas Hardegger unterstrich, dass die Anzahl Kinder erst dort abnehme, wo Perspektiven vorhanden seien. Thomas Minder wehrte sich dagegen, dass die Zweckgebundenheit der Gelder bei den betroffenen Ländern als Einmischung empfunden werden könne. Das, was die Entwicklungszusammenarbeit gefährde, sei das Bevölkerungswachstum.

Schafft die Ecopop-Initiative neue Probleme oder bietet sie vielmehr Lösungen? So uneins wie die Podiumsteilnehmer war auch das Publikum, das im Anschluss an die Diskussion seine Argumente ebenfalls einbringen konnte. (mmw)