45/2014 Verdichtung als Chance?

Verdichtung als Chance?

Die Grünliberale Partei des Bezirks Meilen lud am Montag zu einem Themenabend, der sich der Frage „Verdichtet bauen an der Goldküste?“ widmete. 50 Besucher verfolgten die Podiumsdiskussion mit Experten mit Interesse.

Einfamilienhäuser verschwinden und werden durch mehrstöckige Wohnhäuser ersetzt. Freiräume werden überbaut, Quartiere verändern sich, Räume werden enger. Bei vielen stösst diese Entwicklung auf Widerstand. Doch die innere Verdichtung, die Nutzung von Flächen innerhalb bereits bestehender Bebauungen, ist auch für Zollikon Realität. Aber was bedeutet Verdichtung genau? Und kann Verdichtung auch als Chance verstanden werden? Diesen und ähnlichen Fragen widmete sich die Podiumsdiskussion unter der Leitung der Grünliberalen Partei Küsnacht-Zollikon am Montagabend in Zollikon. Geladene Gäste waren neben dem Grünliberalen Kantonsrat Thomas Wirth die Architektin und Delegierte der Zürcher Planungsgruppe Pfannenstil (ZPP) Katrin Gügler und der Leiter Raum- und Standortentwicklung der Firma Ernst Basler + Partner, Matthias Thoma. Letzterer führte mit einem Referat ins Thema ein.

Verdichtung auch im Pfannenstil

Mit 280’000 Menschen mehr, also 20 Prozent Zuwachs, muss der Kanton Zürich bis 2040 rechnen. Dass dementsprechend gehandelt werden muss, ist klar. Verdichtet bauen, heisst die Devise. Bisher sei dies nicht optimal gelaufen, so Matthias Thoma. Die zwei Kräfte, die auf Dichte und Raumplanung Einfluss haben, der Staat und der Markt, hätten für ein «kombiniertes Versagen» gesorgt. Der in diesem Jahr ausgearbeitete kantonale Richtplan will Abhilfe schaffen und hat deshalb fünf Handlungsräume definiert: Stadtlandschaften, urbane Wohnlandschaften, Landschaften unter Druck, Kultur- und Naturlandschaften. Dafür sieht der Kantonsrat ein 80/20-Prinzip vor. «80% des Wachstums sollen in den ersten zwei Raumtypen untergebracht werden», erklärt Thoma. Mit anderen Worten, auch in der urbanen Wohnlandschaft des Pfannenstils. Die Grünliberale Partei, so Kantonsrat Thomas Wirth, stehe hinter dem 80/20-Prinzip. Dadurch könnten Landschaften und Erholungsräume weiterhin erhalten bleiben. «Wir müssen die innere Verdichtung als ein Zukunftsthema ansehen», ist der Kantonsrat, der in der Kommission Planung und Bau Einsitz hat, überzeugt. «Was wir heute entscheiden, wird erst in 20 bis 30 Jahren Auswirkungen haben.»

Identitätsstiftende Orte belassen

«Das Thema Verdichtung ist nicht neu», erklärt die ZPP-Delegierte Katrin Gügler. Neu sei hingegen die Intensität, mit der die Debatte geführt werde. Auch spiele die Verkehrserschliessung viel stärker in die Diskussion hinein. «Die Mechanismen, wie sich Gebiete entwickeln, sind anders als vor 10 bis 20 Jahren», weiss sie. Die Gemeinden wachsen, neue Wohnungen werden gebaut. Viele Leute erleben den Wandel direkt vor der Haustür mit. Neben Dichte-Skeptikern gebe es durchaus auch Euphoriker, die gerne in städtischeren Gemeinden lebten, so Thoma. «Mehr Dichte kann eine Chance bieten», ist er überzeugt. Investitionen könnten genutzt werden, um den Raum zu erneuern, sei es für Wohnungen, Infrastruktur oder um Freiräume schöner zu gestalten oder besser zugänglich zu machen. Er fügt aber gleich hinzu, dass die Sache differenziert angeschaut werden muss. «Identitätsstiftende Orte sollte man belassen und statt dessen andere Gebiete stärker entwickeln.» Matthias Thoma macht auf das grosse Spektrum aufmerksam, das bei der Raumplanung einer Gemeinde möglich ist: Von bewahren, über erneuern, weiterentwickeln, umstrukturieren, neu orientieren bis zu neu entwickeln gehen die Optionen.

Herausforderung für Gemeinden

Dass Veränderungen und das schnelle Wachstum auf Gegenwehr und Abwehrreflexe stossen, wissen die drei Gastredner. Stein des Anstosses seien oft der grössere Verkehr und eine Angst vor einem Wandel der Bevölkerungsstruktur. Es sei Aufgabe der Politik und von Fachexperten, der Bevölkerung die Chancen der Verdichtung aufzuzeigen, so die ZPP-Delegierte Katrin Gügler. Sie betont zudem, dass es auch eine Kosten- und Standardfrage sei, die diskutiert werden müsse: «Welche Qualität und welchen Luxus können wir uns leisten?» Topmoderne Schulhäuser, neue Altersheime, verbesserter ÖV: Dies alles seien Kosten, welche die Gemeinden stemmen müssten, so Gügler.

In einem regionalen Richtplan geht es nun darum, die kantonalen Richtlinien zu konkretisieren. Und schliesslich liegt die grosse Aufgabe bei den Gemeinden. Dass dies eine Herausforderung sein wird, ist den drei Experten bewusst. «Die grossen, einfachen Verdichtungsprojekte sind vielerorts im Kanton schon realisiert», gibt Kantonsrat Thomas Wirth zu bedenken. Das Schwierige sei nun, in Gemeinden wie Zollikon, die in kleine Parzellen mit komplizierten, kleinteiligen Eigentumsstrukturen aufgeteilt sind, eine Verdichtung zu erreichen. Dafür haben die drei Experten keine Lösung bereit; Ansätze dafür müssen erst noch entwickelt werden. Doch sie betonen die Wichtigkeit, die verschiedenen Interessengruppen in die Debatte einzubeziehen und die Diskussion um die Verdichtung auf Gemeindeebene zu bringen. (sab)