43/2014 Veränderung als Lebensprinzip

Veränderung als Lebensprinzip

Welchen Weg durchs Leben soll ich einschlagen? Diese Frage treibt Peter Wallimann immer wieder aus der sicheren Existenz hinaus auf neue Pfade. Doch auch wenn ihn bisher nichts für immer halten konnte und unklar ist, wohin ihn die Suche führen wird, so scheint er sich doch auf einem zielgerichteten Weg zu befinden.

Peter Wallimann, 49, wohnt in Zollikerberg. Es ist noch nicht lange her, seit er in eine helle Attikawohnung gezogen ist. Er fühlte sich hier sofort wohl. Grosszügig empfindet er die Zimmer, lauschig den Ort, freundlich die Menschen.

Als passionierter Fotograf hat Peter Wallimann ein Auge für das Zarte. Stundenlang kann er auf den richtigen Moment warten, um die flüchtige Schönheit einer Libelle einzufangen. Mit seinem Gedichtband «Kleiner Finger» wickelt er seine Leserschaft um den Finger, indem er sie in poetische Räume entführt.

Hat er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt, dann bleibt Peter Wallimann hartnäckig dran. Wann und wo er dies gelernt hat, ist nicht ganz klar. Vielleicht aus der Not heraus. Als Kind einer alleinerziehenden Mutter hat er in zehn Jahren achtmal die Schule und den Wohnort gewechselt, einmal auch das Land. «Ich studiere dem nicht nach», sagt er, «es war damals einfach unser Leben.». Nach der Matura, die er mit dem Notendurchschnitt 5,7 abschloss, folgten Chemiestudium an der Universität und Doktorat an der ETH Zürich. Danach arbeitete er in der chemischen Grundlagenforschung am Massachusetts Institute of Technology MIT in Cambridge (USA) sowie an der Universität Basel. Jahre harter und erfolgreicher Arbeit

Liebe zur Ordnung

Peter Wallimann arbeitete gern im Labor. Er liebte es, trotz Chaos und Komplexität Schönheit und Ordnung in der Natur zu entdecken und verborgene Strukturen zu entschlüsseln. Er wollte verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Dennoch liess er die akademische Karriere nach einigen Jahren links liegen. Sie war ihm zur Routine geworden. So wollte er nicht alt werden. Doch wie?

Zurück aus Amerika nahm er eine Auszeit und widmete sich seiner Leidenschaft für Kunst. Er zeichnete, malte und fotografierte oft bis spät in die Nacht hinein. Peter Wallimann gefiel das kreative Schaffen, das Erforschen von Prinzipien in der Kunst anstatt im Labor. Vielleicht hätte sich daraus noch mehr entwickelt, hätte das Schicksal nicht andere Pläne gehabt. Dass Peter Wallimann Vater wurde, brachte nämlich einiges an Veränderung mit sich. Er zog mit seiner damaligen Partnerin zusammen und führte ein klassisches Familien- und Erwerbsleben. «Es war ein glücklicher Wink des Schicksals», sagt er augenzwinkernd.

Er nahm eine Arbeit als Redakteur bei einem wissenschaftlichen Verlag in Zürich an. Auch hier konnte er Ordnung schaffen: sprachlich, gestalterisch, konzeptionell. Mit der Zeit aber befiel ihn das altbekannte Gefühl: Die Arbeit wurde zur Routine und erfüllte ihn immer weniger. Und so zog es ihn weiter, diesmal in die chemische Industrie. Hier bekam er einen verantwortungsvollen Management-Posten als Marktentwickler. Eine neue Welt tat sich auf, geprägt von wirtschaftlichem, rationalem Denken.. Auch diese Tätigkeit war faszinierend, zudem sehr gut bezahlt. Und doch, sollte das auf Dauer sein Leben sein?

Radikale Änderung

Nach zwei Jahren entschloss er sich, auf seine innere Stimme zu hören und sich erneut zu verändern, diesmal beruflich und privat. Er verliess die Industrie und trennte sich nach zehn Jahren von seiner Partnerin. Um seinem Sohn nahe zu sein, blieb er im selben Quartier wohnen, sodass sie sich gegenseitig zu Fuss besuchen konnten. Körperlich ging es ihm damals nicht besonders gut. Der Erfolg hatte Kraft gekostet. Er verbrachte viel Zeit in der Natur, meditierte und bildete sich im Bereich Kommunikation, Coaching und Heilverfahren weiter.

In dieser Zeit traf er auf einen Lehrer, der mit Klangschalen, Gongs und Zimbeln aus der Himalaja-Region therapeutisch arbeitete. Das war genau sein Ding! Auch der Klanglehrer spürte das. Acht seiner wertvollsten Bronzeschalen vertraute er Peter Wallimann gleich beim ersten Treffen an. Nun ging es darum zu lernen, mit Klängen umzugehen und sie zum Wohl von Menschen einzusetzen. Sein früher erworbenes Wissen aus neun Jahren Erfahrung mit fernöstlichen Kampfkunstarten erwies sich dabei als hilfreich. Die wichtigste Erkenntnis jedoch war, dass es Bereiche gibt, in denen die Intuition der Logik weit überlegen ist. Dies war zugleich der schwierigste Schritt: zuzulassen, dass man nicht alles kontrollieren kann, zu erkennen, dass der Mensch in Resonanz mit sich und der Welt sein muss, um erfüllt und gesund zu leben.

Vier Jahre sind inzwischen vergangen, seit Peter Wallimann zusammen mit Enrico Bauer eine Praxis für Klangtherapie in Zürich eröffnet hat. Die beiden haben seither viele Menschen begleitet. «Entspannung ist eine Voraussetzung für jede Form der Heilung, ob körperlich oder psychisch», sagt Peter Wallimann. Klänge seien sehr hilfreich, um Blockaden zu lösen und den natürlichen Fluss wiederherzustellen.

Peter Wallimann liebt seine neue Berufung. Und doch: Ist er jetzt, nach bald 50 Jahren, am Ziel? Hat er gefunden, wonach er so lange gesucht hat? Oder wird er schon bald wieder zu neuen Ufern aufbrechen? Er lacht verschmitzt. «Vielleicht», sagt er, «doch es ist noch nicht spruchreif.» (db)