33/2014 Überrascht und überwältigt vom sicheren Leben in der Schweiz

Überrascht und überwältigt vom sicheren Leben in der Schweiz

Das erste Mal von der grossen Heimat in die Welt hinaus und in die kleine, feine Schweiz: Die 18-jährige Südafrikanerin Cecile Schroeder verbringt ein Jahr als Au-pair in Zollikon. Kennengelernt hat sie dabei ein für sie bis anhin fast unvorstellbares Leben. 

Bis vor neun Monaten kannte Cecile Schroeder genau eine Nation, nämlich diejenige am Kap der Guten Hoffnung, auf deren Wappen steht: «Verschiedene Völker vereint». Südafrika – der ethnisch vielfältigste Staat des afrikanischen Kontinents ist Heimat von rund 50 Millionen Menschen unterschiedlichster Abstammung. Mit seinen elf Landessprachen ist das Land nach Indien dasjenige mit den meisten offiziellen Sprachen der Welt. Die Region um das Kap gehört zu den drei Weltgegenden mit der grössten Artenvielfalt. Damit vermag die Regenbogennation viele zu begeistern.
Die junge Frau kennt aber auch die andere Seite ihrer Heimat. Das von Kriminalität, Korruption und Armut geprägte Land, das vor grossen Herausforderungen steht. Das Land, das sich auch 20 Jahre nach offizieller Abschaffung der Apartheid noch immer im Wandel befindet.
Aufgewachsen ist Cecile Schroeder im kleinen Ort Hartbeespoort, 40 Kilometer westlich von Pretoria, der Hauptstadt Südafrikas und ungefähr 65 Kilometer nordwestlich von Johannesburg, das mit über drei Millionen Einwohnern die grösste Stadt des Landes ist. Zusammen mit ihren Eltern, ihrem älteren Bruder und ihrer jüngeren Schwester, mit Schafen, Hühnern und sieben Hunden wuchs Cecile hier auf.

Bis vor neun Monaten konnte sich die 18-Jährige Frau nicht vorstellen, was es heisst, in einem Land zu leben, das sicher ist. In einem Land, in dem junge Erwachsene alleine in die Stadt gehen, am Abend unbeschwert um die Häuser ziehen und am Wochenende ausgedehnte Waldspaziergänge unternehmen. «Ich hatte ja keine Ahnung, was auf mich zukommt», lacht Cecile Schroeder herzhaft und erinnert sich zurück an den Moment, an dem sie das erste Mal einen Fuss auf europäischen Boden gesetzt hat. Noch nie zuvor war sie im Ausland. Zeit, sich darauf vorzubereiten, hatte sie keine. Zu sehr sei sie mit der Schule beschäftigt gewesen und der Frage aller Fragen, die Schulabgänger beschäftigt: Wie weiter? Die junge Frau wusste es nicht, sie hatte keine Ahnung, welche Studienrichtung sie einschlagen sollte. «Solange dir dein Berufswunsch nicht klar ist», habe ihr Vater sie ermahnt, «können wir dir auch kein Studium finanzieren.» Denn studieren ist teuer. Da habe sie den Entschluss gefasst, die Welt zu entdecken. Und zwar als Au-pair.

Unbekannte Freiheit

Neun Monate später sitzt sie in einem Restaurant im Zollikerberg und erzählt von ihren Eindrücken von der Schweiz. «Safe und beautiful», sind Wörter, die sie immer wieder benutzt, die sie schwärmen lassen. Schön sei zwar auch ihr Heimatland, die Landschaft atemberaubend, die Sonnenuntergänge spektakulär. Von der Sicherheit, wie sie in der Schweiz herrsche, könne aber keine Rede sein. Nie würde sie ihr Haus am Abend alleine verlassen oder käme es ihr in den Sinn, im Wald spazieren zu gehen. Auch tagsüber nicht. Die Kriminalität sei allgegenwärtig, die Korruption unkontrollierbar, die Arbeitslosigkeit gross. Auch den öffentlichen Verkehr, wenn man den denn als solchen bezeichnen könne, meidet sie. Züge und Trams kannte sie bis anhin kaum, in der Umgebung von Hartbeespoort verkehren vereinzelt Busse und vor allem Taxis. Letztere seien aber weder sicher noch dürfe davon ausgegangen werden, dass die Fahrer einen gültigen Fahrausweis besitzen.
Sich in der Schweiz zurechtzufinden, fiel der jungen Südafrikanerin zu Beginn schwer. Orientierungslos sei sie gewesen und voller Zweifel, ob sie jemals in der Lage sein würde, mit den hiesigen Fahrplänen zurechtzukommen. Heute besteigt sie jeden Morgen den Bus im Zollikerberg, um die Kinder ihrer Gastfamilie in die Krippe ins Dorf zu bringen. «Ein Klacks», schmunzelt sie.

Von Südafrika aus die Welt entdecken

Das sogenannte Taschengeld, das ein Au-pair in der Schweiz erhält, entspricht in Südafrika dem Gehalt eines ausgebildeten Lehrers. Für die 18-Jährige ein Haufen Geld. Sie erfüllt sich damit einen Traum, der sich mit dem einjährigen Aufenthalt in der Schweiz noch verstärkt hat. Den Traum, die Welt zu entdecken. Ihre Reiselust habe sie so richtig gepackt und führte sie nach Bern, Bellinzona und Appenzell, aber auch schon über die Grenze nach  Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien. Auch Holland – ihre zweite Wunschdestination neben der Schweiz – hat sie besucht und ist begeistert: Fast schon habe sie sich ein wenig wie zu Hause gefühlt. Die Holländer empfand sie nicht nur als ausgesprochen freundlich, auch konnte sie sich von Beginn weg mühelos mit ihnen verständigen. Afrikaans, die Muttersprache der jungen Südafrikanerin, hat sich aus dem Niederländischen des 17. Jahrhunderts entwickelt, die beiden Sprachen klingen noch heute sehr ähnlich.

Die verbleibenden drei Monate, die Cecile noch als Au-pair in Zollikon verbringt, möchte sie noch nutzen, um einiges zu unternehmen, wofür die Zeit noch nicht gereicht hat. Im Zürichsee baden beispielsweise. Wenn ihr der See schon zu Füssen liege, müsse sie dies doch auch ausnützen, sagt sie und hofft auf angenehme Wassertemperaturen – am liebsten ähnliche wie im indischen Ozean, wo sie allerdings nur alle zwei Jahre schwimmen kann. Der Weg zum nächstgelegenen Strand in Durban benötige über sieben Stunden Autofahrt, Familienausflüge in dieser Länge lägen nicht häufig drin. Freuen auf zuhause, das tut sie sich aber trotz aller Vorzüge, die sie in Zollikon und der Schweiz habe kennenlernen dürfen. «Die Lebensqualität ist hier unglaublich hoch», sagt sie, «viel höher, als ich sie mir je hätte vorstellen können.» Dennoch gehört ihr Herz Südafrika, wo ihre Familie und ihre Freunde leben. Das Auslandjahr habe ihr aber gezeigt, wohin ihre Zukunft gehen soll: Die 18-Jährige möchte an der Universität in Pretoria «Business Management» studieren, zurzeit bereitet sie sich für die Aufnahmeprüfungen vor. Eine Arbeit zu finden, für die man reisen muss, ist das Ziel der jungen Südafrikanerin – in der (guten) Hoffnung, dass die Geschäftsreisen bisweilen auch in die Schweiz führen werden. (mmw)