Dem Ball trotz Verletzung treu geblieben
Drei F’s stehen in Paulo Silvas Leben im Mittelpunkt: Familie, Freunde und Fussball. Der gebürtige Portugiese hat in Zollikon alles, was er braucht, um glücklich zu sein.
Heute Abend steht Paulo Silva dort, wo er unzählige Stunden seines Lebens verbracht hat. Dort, wo er in unmittelbarer Nähe hingezogen ist, als er zusammen mit seiner Frau Amalia eine Familie gründete. Dort, wo er schon so oft rumgesprintet ist, kleine Knirpse angefeuert hat und von seiner Familie und Freunden selbst angefeuert wurde. Dort, wo Jubelschreie und unziemliche Worte oft im selben Atemzug über die Lippen gehen, wo gefachsimpelt, analysiert, gelacht, teils gar geweint wird: auf dem Fussballplatz Riet. Heute Abend schnürt er mal wieder die Fussballschuhe. Jahrelang hat er mit dem Sportclub Zollikon in der 5. Liga gekickt und bis vor vier Jahren als Juniorentrainer der F bis C Junioren geamtet, sein Sohn Filipe gehört heute zum Stamm der A-Junioren. Zusammen mit seinen Arbeitskollegen aus dem Spital Zollikerberg jagt Paulo Silva heute Abend wieder dem runden Leder nach, am Grümpi treten sie gegen die Zolliker Feuerwehr an.
Dass Fussball zum Leben von Paulo Silva gehört, ist kaum verwunderlich. Er stammt aus dem Land, aus dem – zumindest für die einen, der beste Spieler der Welt stammt: Cristiano Ronaldo, Kapitän und Rekordtorschütze der Portugiesen. Ein Narzisst, ein Egozentriker für die einen – ein Beau, ein Fussballgott für die anderen. Für Paulo Silva eher Letzteres, auch wenn er nicht gleich überschwänglich wird. «Fussballerisch ist er zweifelsohne top», sagt er ziemlich bestimmt, «was seinen Charakter angeht, halte ich mich lieber zurück», meint er und macht, was er so oft tut: herzhaft lachen. Es könnte sein Erkennungsmerkmal sein, die Fröhlichkeit steht dem 41-jährigen portugiesisch-schweizerischen Doppelbürger ins Gesicht geschrieben.
Im Team kochen alle fleissig mit
Aufgewachsen in der Kleinstadt Mira in Portugal, 200 Kilometer nördlich von Lissabon, kam Paulo Silva mit 16 Jahren in die Schweiz. Er sprach kein Wort Deutsch und kannte ausser seinem Vater, der hier bereits ein paar Jahre zuvor Arbeit auf dem Bau gefunden hatte, niemanden. Als Jugendlicher kam er zu einer Bauernfamilie nach Hombrechtikon, den Kontakt vermittelte ihm sein Vater. Was es heisst, mitanzupacken, weiss er seit Kindstagen. Zusammen mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder half er seiner Mutter im Haushalt genauso wie im Stall bei den Kühen, Schweinen und Hühnern. «Hausarbeit gehörte für mich immer dazu, meine Mutter brachte mir alles bei», erinnert er sich und fügt mit einem breiten Grinsen an, «selbst Brot backen konnte ich schon ganz früh. Meine Frau verdankt meiner Mama vieles.» Für die Gebrüder Silva war es selbstverständlich, der Mutter und den Grosseltern, die im selben Haus wohnten, unter die Arme zu greifen, sie waren grösstenteils die einzigen Männer im Haus. Der Vater, der als Koch auf einem Schiff am Horn von Afrika oder in Kanada beschäftigt war, kam nur alle paar Monate nach Portugal zurück. «Meine Mutter hat uns streng, aber herzlich erzogen.»
Den Kochlöffel schwingt Paulo Silva heute selbst gerne. Abwechslungsweise stehen er oder seine Frau in der Küche und selbst an seinem Arbeitsplatz wird regelmässig gekocht. Jeden Mittag kocht jemand anderer aus dem 15-köpfigen Team des technischen Dienstes, zu dem Paulo Silva als Leiter der Transportdienste des Spitals Zollikerberg gehört. Spricht er von seiner Arbeit, macht er dies mit der gleichen Begeisterung, wie er von Veloausflügen mit Freunden erzählt, die er oft unternimmt. «Ich stehe jeden morgen gerne auf und freue mich auf meine Arbeit», sagt er und erzählt von Patienten, die er zu Hause abholt und zur Dialyse bringt, von Bluttransporten und Medikamenten, die er zu organisieren hat und all den Entsorgungen, für die er zuständig ist.
Immer noch am Ball
Familie und Freunde bedeuten Paulo Silva alles. Ihnen habe er auch alles zu verdanken. Durch sie kam er, wie er selbst sagt, «an einen der schönsten Orte der Welt». Nach Zollikon kam er durch seine Frau, die hier als Jugendliche als Au-Pair arbeitete, ebenfalls gebürtige Portugiesin ist und die er in der Schweiz kennenlernte. Wo er hinkam, sei er stets freundlich aufgenommen worden, sich zu integrieren fiel ihm leicht. Auch die deutsche Sprache hätte ihm keine Mühe bereitet, «wer will, lernt sie schnell», sagt der polyglotte Paulo Silva, der neben portugiesisch und deutsch auch französisch, spanisch und italienisch spricht. Sein Freundeskreis präsentiert sich genauso multikulti, Spanier, Portugiesen, Schweizer und Kroaten – sie alle gehören zu seinem Umfeld und würden dafür sorgen, dass er hier alles hat, was er braucht.
Heute Abend steht Paulo Silva dort, wo er noch viele weitere Stunden seines Lebens verbringen wird. Aufgrund einer Knieverletzung bleiben die Fussballschuhe zwar öfter am Nagel hängen, doch Paulo Silva wäre nicht Paulo Silva, wenn er sich damit nicht längst abgefunden und bereits eine neue Leidenschaft gefunden hätte: Faustball. Doch am Grümpi teilzunehmen, das sei Ehrensache. Genauso selbstverständlich, wie danach die Schweizer lautstark anzufeuern gegen Les Bleus. Cristiano Ronaldo kann warten. (mmw)
Lesen Sie das ausführliche Porträt über Paulo Silva im Rahmen unserer «Sommerserie» und finden Sie das passende Rezept für einen gelungenen Fussballabend im aktuellen «Zolliker Bote» vom 20. Juni.