Drei Brüder, zwei Länder, ein Fussball
Ausser den jährlichen drei Wochen Sommerferien haben die drei kroatischen Brüder Ivo, Marko und Luca ihre ganze Kindheit in Zollikon verbracht, viele freie Minuten davon mit Fussballspielen auf dem Pausenplatz und auf dem Riet. Hier geboren und aufgewachsen sind alle drei waschechte Zolliker geworden.
Die Gebrüder Dugandzic, Ivo, Marko und Luka – 26, 24 und 20 Jahre alt – lieben Fussball über alles. Die meiste Freizeit ihrer Kindheit haben sie deshalb mit dem Fussball auf dem Schulhausplatz Oescher beim Kicken verbracht.
Kurz bevor die Eltern Dugandzic – beide auf eigene Faust – in die Schweiz zogen (Mutter 1979, Vater 1986), hatten sie sich zufällig im Wartezimmer eines Zahnarztes in Kroatien kennengelernt und von den Plänen des andern erfahren. Sie beide kommen aus Hercegovina. Sie aus Medjugorje, welches seit 1981, als dort Jugendlichen die Maria erschienen ist, zu einem beliebten Wallfahrtsort wurde, er aus dem nahen Dorf Dragicina. Beide hofften, sie würden sich in der Schweiz näher kommen, doch sie mussten sich gedulden. Während Mutter Dugandzic’s Abreise nach Zollikon vor der Tür stand, weil sie da bereits als Pflegerin im Altersheim am See erwartet wurde, verzögerte sich für Vater Dugandzic die Anstellung als Kellner in einem Zürcher Lokal. Doch die Wartezeit war kein Hindernis. Die zwei waren für einander bestimmt. Und der Segen Marias über ihrem Heimatdorf, der – wie ein Wunder – während des Jugoslawienkrieges ihre Familie und Freunde zu Hause schützte, sodass keiner ihrer Verwandten sterben musste, keines ihrer Häuser zerstört wurde, umschloss auch sie beide.
Über die erste Zeit ihrer Eltern in der Schweiz wissen die drei Söhne nicht viel, einzig, dass sie der schwierigen Wohnungssuche wegen beinahe in Embrach geboren worden wären, weil ihre Mutter dort ein gutes Jobangebot samt Wohnungsvermittlung erhielt. Dass sie in Zollikon blieben, ist einzig der damaligen Chefin im Altersheim zu verdanken, die Mutter Dugandzic nicht wegziehen lassen wollte, und sich so ins Zeug legte, dass es ihr gelang, dem jungen Paar eine Genossenschaftswohnung an der Friedhofstrasse zu vermitteln.
Heimatgefühle für Zollikon
Die Brüder Dugandzic sind froh darüber. «Wir hatten hier in unserer Kindheit ein wunderbares Umfeld», sagt Ivo, «die Leute rundum machten es uns leicht, uns hier wohlzufühlen. Wir fanden gute Freunde und den Sportclub Zollikon.»
«Ich fühle mich zu hundert Prozent als Schweizer“, sagt Luka, „aber auch zu hundert Prozent als Kroate.» Alle drei sprechen und schreiben perfekt kroatisch. Es war keine Frage, neben der Schweizer Schule am Samstag auch die kroatische Schule zu besuchen.
Auf die Frage an Luka, für welche Nationalmannschaft er spielen würde, wenn er vor dieser Entscheidung stünde, schweigt er verlegen. «Vielleicht doch nicht so schlimm, dass ich nicht so gut spiele, dass sich mir diese Frage stellt!», sagt Ivo und zwinkert Marko zu: «Für mich ist klar: einmal Zollikon, immer Zollikon!» Marko zuckt mit den Schultern. Unter den drei Brüdern ist er der talentierteste Fussballer und hat sich deshalb auch schon rechts und links – bei Seefeld und Küsnacht – in höheren Ligen versucht .
Im Lauf der Jahre sind die hohen Fussballambitionen ein wenig den realen Berufs- und Weiterbildungsplänen gewichen. Ivo, der Älteste, arbeitet zurzeit zu 60 Prozent als diplomierter Pflegefachmann HF und bildet sich zum Bachelor in Management & Public Health weiter. Gerne möchte er erst Stationsleiter, später Leiter einer ganzen Pflegeabteilung werden. Marko arbeitet auf der Gemeindeverwaltung Zollikon, wo er auch seine kaufmännische Lehre absolviert hat. Er investiert seine Freizeit und sein Geld zurzeit in Reisen. Luka steht gerade kurz vor seiner Lehrabschlussprüfung als Kellner in einer grossen Pizzeria.
Daumendrücken mit der ganzen Familie
Alle drei sind im Fussballclub noch aktiv: Luka bei den A-Junioren, Marko in der ersten, Ivo in der zweiten Mannschaft. Doch die Zeit, als sie noch davon träumten, selbst Spitzenfussballer zu werden, und dafür jede Minute zum Training verwendeten, ist vorbei. Heute genügt ihnen als Aktive der Sieg am Grümpelturnier, den sie letztes Jahr zum zweiten Mal mit ihrer Mannschaft holten und dieses Jahr verteidigen wollen – und passiv freuen sie sich auf die vielen Fussballfamilienabende während der Weltmeisterschaft. «Wir schauen meist zu Hause oder bei unserem Onkel», erzählen sie, «alle zusammen sind wir etwa 20 Leute. Wir sitzen vor dem Fernseher, diskutieren die Spielzüge und Resultate und essen die von Vater selbst gemachten Cevapcici. Es ist immer sehr gemütlich!»
Die drei Brüder sind über den Zusammenhalt in der Familie froh. «Unsere Eltern haben es uns auch leicht gemacht», sagen sie, «wir wurden streng erzogen, doch mit viel Liebe. Unsere Eltern setzten sich immer dafür ein, dass wir alles bekommen konnten, was wir uns wünschten.» Dieses Jahr wird Marko an vielen Familienfernsehabenden fehlen. Seine nächste Reise geht nach Brasilien. Gemeinsam mit einem Freund hat er Tickets für das Eröffnungsspiel Kroatien–Brasilien. Zuhause werden sie deshalb dieses Jahr am TV nicht bloss die Spieler, sondern auch das Publikum genauestens unter die Lupe nehmen. (db)