20/2014 Ein Alternativplan wurde zur Leidenschaft

Ein Alternativplan wurde zur Leidenschaft

Vergangene Woche hatte der ehemalige Postbeamte Walter Knecht gleich zwei Gründe zum Feiern. Einerseits lebt er auf den Monat genau 70 Jahre in Zollikon, andererseits feierte er seinen 89. Geburtstag. 

In Mellikon, einem 230-Seelen-Dorf im Aargauischen, aufgewachsen, hätte der Rentner Walter Knecht nie gedacht, dass er einmal die Möglichkeit haben würde, am Zürichsee seinen Traumberuf auszuüben. Mellikon liegt am Hochrhein an der Grenze zu Deutschland. Die Nähe zum Nachbarland wurde für den jungen Walter Knecht vor allem während des Zweiten Weltkrieges spürbar, als im benachbarten Waldshut Bomben niedergingen. Nach der Primarschule in Mellikon und der Bezirksschule in Zurzach war es für den jungen Walter schwierig, einen Ausbildungsplatz zu finden. «Am liebsten hätte ich Koch oder Automechaniker gelernt. Die Stellen waren aber sehr rar und der Krieg war auch bei uns spürbar.  Da ich keinen Ausbildungsplatz gefunden hatte, befolgte ich den Rat meines Vaters und suchte eine Möglichkeit, im Welschland eine Beschäftigung zu finden, um mein Französisch aufzubessern.» Bei einem älteren Ehepaar in Cossonay-Ville, bei dem er sich telefonisch bewarb, durfte er für Kost und Logis im Haushalt mithelfen. 

Ganze 15 Monate blieb er im Gros de Vaud, im Waadtländer Mittelland. Dann verschaffte ihm sein Vater, der damals Gemeindepräsident von Mellikon war, eine Stelle als Aushilfe bei einem Posthalter-Ehepaar. «Die Post war immer mein Alternativplan, wenn das mit dem Kochen oder dem Auto Reparieren nicht klappen sollte. Später stellte sich heraus, dass ich keinen besseren Weg hätte einschlagen können.» 

Vom Glück geprägt

Auch während seinem Amt als Briefträger in Erlen wohnte er in der Nähe der Grenze. Noch immer hörte er Schüsse in der Nacht und die Kriegszeit war deutlich spürbar. Er selber sei aber nie in Gefahr gewesen. Trotzdem habe ihn diese Zeit geprägt. Umso mehr freute er sich darüber, dass er immer sehr schnell und unterbruchslos Arbeit fand. Seine Freude und hohe Motivation fiel auch seinem damaligen Posthalter auf. «Er setzte sich für mich ein und rief sogar die Hauptpost Zürich an, um mir eine bessere Stelle zu verschaffen. Daraufhin erhielt ich eine Einladung, am Hauptsitz Zürich eine Prüfung abzulegen. Auch mein Französisch wurde getestet. Das war aber nach meinem Sprachaufenthalt kein Problem und ich habe mich gut durch die Prüfung geschlagen.» So gut, dass er noch am gleichen Tag zwei Stellenangebote erhielt: Zur Auswahl standen Zollikon oder Männedorf. Beides Seegemeinden, etwas, was sich Walter Knecht nie erträumt hätte. «Die Nähe zur Stadt Zürich machte mir die Entscheidung leicht. Und nun bin ich seit 70 Jahren in Zollikon, kenne so viele Leute hier und fühle mich hier sehr zu Hause. Nie hätte ich hier wieder weggehen wollen.» Er findet so oder so, er habe viel Glück gehabt im Leben. Man solle lieber dankbar sei für das Gute, was einem passiert, anstatt traurig zu sein über das, was schief gelaufen ist. 

Grosser Einsatz in Beruf und im Privaten

Neben seiner Selbstständigkeit ist der Zolliker auch stolz auf seinen grossen Einsatzwillen, den er schon immer hatte. Dieser hat ihn sowohl beruflich die Karriereleiter erklimmen lassen und ihm einige Beförderungen bis hin zur Personalleitung eingebracht, wie auch Ehrenmitgliedschaften in Vereinen, in denen er sich engagierte. 14 Jahre lang präsidierte er die Harmonie Zollikon und war einer der Mitgründer der Knabenmusik. Der Harmonie Zollikon blieb er 30 Jahre, der Knabenmusik 17 Jahre treu und stellte in dieser Zeit einige Veranstaltungen bis hin zum Eidgenössischen Musikfest, aber auch internationale Musikanlässe auf die Beine. Ebenfalls setzte er sich acht Jahre lang in der Kirchenpflege ein, half zwölf Jahre im Wahlbüro mit und präsidierte 20 Jahre lang die Krankenkasse Winthertur. Rückblickend sagt Walter Knecht: «Die Post und die Musik haben mein Leben neben meiner Familie am meisten geprägt. Und schön ist, dass ich nichts bereue. Noch heute geniesse ich jede Minute, die ich habe, gehe in die Ferien nach Pontresina oder mit Freunden einen Kaffee trinken. Und wenn ich nach Hause komme, geniesse ich die Ruhe und die Zeit für mich. Der perfekte Mix macht mein Leben so lebenswert.» (fh)

Lesen Sie das ganze Persönlich im aktuellen «Zolliker Bote» vom 16. Mai 2014.