Bücherfrühling in der Bibliothek
Zum vierten Mal stellte Daniela Binder, Buchhändlerin aus Winterthur, Frühlingsneuheiten auf dem Büchermarkt vor. Ihre Stammhörer wussten es zu schätzen. Wer’s verpasst hat, kann sich Binders Bücherliste in der Bibliothek besorgen – und gleich um persönliche Empfehlung nachfragen. Die ganze Bibliothekscrew war vor Ort.
Drei bis vier Mal in der Woche tingelt Daniela Binder jeden Frühling von Bibliothek zu Bibliothek und preist die neusten Bücher an. Die Buchhändlerin aus Winterthur macht dies mit Leidenschaft. Im Zollikerberg war sie heuer zum vierten Mal.
Daniela Binder begann pünktlich und sprach eine gute Stunde, reihte Buch an Buch, Empfehlung an Empfehlung. Sie fasste auf Schweizerdeutsch zusammen, was sie gelesen und dabei empfunden hatte; wovon sie so fasziniert war, dass es ihr «den Ärmel reingezogen» hatte und sie den ganzen Sonntag durchlesen musste. Das Publikum hörte atemlos zu, mucksmäuschenstill, es geriet in einen richtigen Erzählbann.
Daniela Binders absolute Favoriten sind dieses Jahr «Ostende 1936, Sommer der Freundschaft» von Volker Weiermann, in dem die Beziehung zwischen Stefan Zweig und Joseph Roth ausgeleuchtet wird. «Alles ist gut gegangen» von Emmanuèlle Bernheim, das sich mit dem Thema des Sterben-Dürfens beschäftigt, und «Tobys Zimmer» von Pat Barker, worin sich zwei Geschwister eines Nachts zu nahe kommen und das Geheimnis nachher mit sich tragen – der Junge in den Krieg, in dem er fällt, das Mädchen in die Kunstakademie, in der es versucht, sein Schicksal zu verarbeiten und leben zu lernen.
Den Blick geschärft
«Es sind alles Bücher», sagt Daniela Binder, «die wichtige Themen unseres Lebens gleichzeitig tiefsinnig, aber auch leicht und hoffnungsfroh angehen.»
Um nicht in eine Erzählroutine zu fallen, die sie selbst langweilen würde, wählt Daniela Binder jeweils gemeinsam mit den jeweiligen Bibliothekarinnen zwanzig Frühlingsbücher aus einer persönlichen Liste von sechzig Büchern aus, die sie allesamt gelesen und für gut befunden hat. Es ist Ehrensache, dass sie sie alle aus dem Stegreif zusammenfassen und von ganzem Herzen empfehlen kann.
Ihre Lesungen haben dementsprechend Erfolg. Viele der zwanzig Bücher, die sie an diesem Abend so locker vorgestellt hat, wurden gleich ausgeliehen. Daniela Binder hat angeregt und überzeugt.
Strahlend packt sie ihre Tasche und eilt zur Forchbahn. «Auf der Hinfahrt fuhr ich mit Ihnen im Abteil», sagt sie unter der Tür zu einer eleganten Dame, «ich habe mir gedacht, sie sähen aus wie ein Mensch, der Bücher liest und habe heimlich mit mir gewettet, ob ich sie im Publikum entdecken werde.» Daniela Binders Blick hat sich beim Lesen nicht nur für Bücher geschärft. (db)