In Sotschi geht die Arbeit weiter
Béatrice G. Lombard-Martin ist Gründerin und Präsidentin des Swiss Russian Forum. Gegründet wurde die Stiftung 2006 als Wirtschaftsorganisation mit sozialem Hintergrund. Durch die Stiftung, die ihren Hauptsitz in Zollikon hat, findet ein Wissenstransfer statt, der für beide Länder von grossem Wert ist. Anlässlich der Olympischen Spiele in Sotschi, die am vergangenen Wochenende zu Ende gegangen sind, gibt uns die ehemalige Zollikerin Béatrice G. Lombard-Martin Auskunft über die Gegebenheiten vor Ort.
Die Olympischen Spiele in Sotschi sind vorbei, was ziehen Sie für ein Fazit?
Ich möchte kein sportliches Fazit ziehen. Dafür bin ich nicht die Expertin. Ich möchte mich auf ein Fazit für Russland konzentrieren. Es kam genau so, wie ich es erwartet habe. Die Spiele waren sehr gut organisiert, man hat sich an alles gehalten, was versprochen worden war, die Sicherheit war gewährleistet und die Spielstätten pünktlich fertiggestellt. Die Angst, die im Vorfeld verbreitet wurde, war unbegründet. Die Spiele waren sehr glamourös. Das passt aber sehr gut zu Russland und alles andere hätte mich überrascht. Denn wenn die Russen etwas machen, dann machen sie es richtig, in grossem Stil und wenn möglich einen Tick besser als alle anderen. Das Gesamtziel wurde also sicher erreicht.
Der Kontrast zwischen dem olympischen Dorf, in dem die Athleten lebten, und der Aussenwelt scheint riesig gewesen zu sein. Wurde alles rund um die Spielstätte etwas in Vergessenheit gerückt? Wie schätzen Sie die Situation ein?
Nein, das glaube ich nicht. Klar ist: Das Olympische Dorf und die Spiele haben funktioniert und das war wichtig. Aber als sich Russland damals mit Sotschi für die Olympiade beworben hat, tat es das nicht nur mit dem Ziel, der Welt zu zeigen, wie schön es am Schwarzen Meer ist. Das ist es natürlich, der Hintergrund ist aber folgender: Dieses Land befindet sich nach der kommunistischen Zeit nach wie vor im Aufbau. Es gibt Metropolen wie Moskau oder Sankt Petersburg, die sich schnell entwickelt haben, trotzdem gibt es nach wie vor Orte in Russland, wo es einfach nichts gibt. Zum Zeitpunkt, als Sotschi für die Spiele vorgeschlagen wurde, war es so ein Ort. Es gab keine Spur von Infrastruktur. Aber man wollte den Aufbau vorantreiben und den Menschen aus der Region dadurch eine Chance geben, eine Zukunft bieten. Darum wurden diese Spiele auch so teuer. Natürlich darf man auch den Teil des Geldes nicht totschweigen, der der Korruption zum Opfer fiel. Das gehört halt leider nach wie vor auch noch etwas dazu. Das andere ist aber, dass man Bahnlinien und Strassen gebaut hat und es Anschlusspläne für die weitere Nutzung gibt. Diese beinhalten eine Belebung und Nutzung der Region nicht nur im Sommer am Meer, sondern das ganze Jahr hindurch, auch oben in den Bergen.
Was haben die Olympischen Spiele Russland auch politisch gebracht?
Die Russen wollten sich über den Sport auch einmal von einer anderen Seite zeigen. Sie wollten das Image ihres Landes neu prägen und sich nicht immer nur über politische Themen und Kriege definieren. Das ist auch Teil der Strategie der russischen Regierung. Grundsätzlich soll die Sportkultur einen wichtigeren Stellenwert bekommen. Die Olympischen Spiele sind dabei nur der Anfang. In Sotschi wird dieses Jahr auch zum ersten Mal ein Formel-1-Rennen ausgetragen und da ist noch viel in Planung.
Sie stellen die Verbindung Schweiz-Russland her. Wo sind wir uns ähnlich, wo gehen die Ansichten der beiden Länder in eine völlig gegensätzliche Richtung?
Zwischen der Schweiz und Russland bestehen schon seit Jahrhunderten sehr enge Bindungen. Wir müssen auch sagen, dass wir hier in der Schweiz unsere Neutralität den Russen zu verdanken haben. Am Wiener Kongress waren nämlich sie es, die anregten, dass man die Schweiz, auch als Schutz gegen Napoleon, als neutrales Land behalte. Schweizer Wissenschaftler und Künstler waren regelmässig am Hof des Zaren. Die Bindung war wirklich immer sehr eng. Und die Ersten, die in Zürich und Genf an den Universitäten das Medizin-Studium abgeschlossen haben, waren zwei Russinnen. Man konnte immer voneinander profitieren. Klar gab es zwischenzeitlich auch politische Verschnupftheiten, nach Lenin waren in Russland alle Botschaften zu. Die Schweizer Botschaft war aber die erste, die wieder geöffnet wurde. Und heute ist es so, dass die Schweiz die russischen Interessen in Georgien vertritt und umgekehrt. Die Schweiz engagiert sich sehr stark, auch politisch, für Russland. Und zwischen Russland und der Schweiz sind noch heute, auf einer langen Tradition beruhende Verbindungen da. Schliesslich feiern wir dieses Jahr das 200-Jahre-Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und der Schweiz.(fh)
Lesen Sie das ganze Interview mit Béatrice Lombard-Martin im aktuellen «Zolliker Bote» vom 28. Februar 2014.