08/2014 Im Dienst der Menschlichkeit

Im Dienst der Menschlichkeit

Am Mittwoch, 26. Februar, ist der langjährige Afrika-Kenner Al Imfeld im reformierten Kirchgemeindehaus Zollikerberg zu Gast. Der 78-jährige Theologe, Philosoph und Journalist wird das Publikum mittels seines Vortrags an seiner vielseitigen – religiösen wie kulturellen ‒ Auseinandersetzung mit Afrika teilhaben lassen. Ein Gespräch im Vorfeld.

Als ältestes Kind einer dreizehnköpfigen Familie aus der Zentralschweiz sind Sie in jungen Jahren dazu auserkoren worden, Priester und Missionar zu werden. Später sind Sie durch Ihre Kritik an der Kirche verschiedentlich auch angeeckt. Sind Sie religiös?

Ich bin tiefreligiös, aber dabei nicht konfessionell gebunden. Ich empfinde es als anmassend, dass einzelne Religionen und Glaubensrichtungen, jede für sich, behaupten, sie kennen den einzig wahren Gott. Ich sehe die unterschiedlichen Religionen eher als eine Entfaltung von nebeneinander gleichberechtigt bestehenden Interpretationen, denn als Spaltung in richtig und falsch. Zudem sind mir alle Macht- und Manipulationsstrukturen verdächtig.

1954 waren Sie erstmals in Afrika. Sie trafen Albert Schweitzer und schworen sich, niemals so zu werden wie er. Warum?

Zu Albert Schweitzer habe ich eine besondere Affinität, weil er auf die Minute genau 50 Jahre älter ist als ich. Meine Mutter hat mir dies bereits als kleines Kind gesagt. Er war mein Jugendidol, es gefiel mir, dass er drei Studien gemacht hatte und nach Afrika gefahren war. Als Maturand schrieb ich ihm deshalb und fragte, ob ich ihn besuchen dürfe. Er liess mir ausrichten, ich könne schon kommen, doch er sei viel unterwegs. Das war mir Einladung genug. Voller Erwartungen fuhr ich als 19-Jähriger los, erst per Velo und Autostopp nach Marseille, dann als Kohlenschaufler auf dem Frachtdampfer weiter nach Gabun. Da traf ich ihn und stellte fest, dass er ganz anders war, als ich erwartet hatte.

Womit hat Sie der damals gerade zum Friedensnobelpreisträger erkorene Doktor so enttäuscht?

Praktisch als Erstes sagte er: «Ja, Sie sind noch jung. Machen Sie sich keine Illusionen. Der Afrikaner ist noch kein Mensch. Er ist höchstens ein Kind.» Ich war darüber hell empört. Und als er am andern Tag vor dem Orgelspiel sagte: «Ich spiele, um diese wilde Gegend hier zu bezähmen», dachte ich, er mache einen Witz. Als er dann aber im Gespräch mit dem südafrikanischen Innenminister, der gerade gleichzeitig zu Besuch war, die Apartheidpolitik unterstützte, weil der Afrikaner noch keiner demokratischen  Politik fähig sei, war ich so entsetzt, dass ich mich bemühte, sogleich wieder wegzukommen Ich verurteile ihn aber nicht deswegen. Er war ein Kind seiner Zeit. Und ich war eben im Unterschied zu ihm kein Kind der Kolonialzeit mehr, ich war bereits ein Kind der Martin-Luther-King-Ära.

Trotz dieses Erlebnisses reisten Sie später immer wieder nach Afrika. Was hat Sie an Afrika so fasziniert, dass es Sie immer wieder dahin zog?

Im Grunde war ich nicht besonders auf Afrika spezialisiert. Meine Missionsgesellschaft sah mich eher für Asien vor. Doch dann kam es wegen meiner kritischen Haltung zur katholischen Kirche zum Bruch mit Rom und ich zog in die Staaten, wo ich in evangelischer Theologie doktorierte und Martin Luther King kennenlernte. Ihm habe ich in die Hand versprochen, mich um Afrikas Geschichte zu kümmern.

Worin unterscheidet sich die afrikanische Kultur hauptsächlich von der europäischen?

Vor allem in ihrem Selbstverständnis auf Grund ihrer tragischen und schmerzvollen Geschichte. Man mag sich diese ja kaum vorstellen, wie  Jahr für Jahr eine Razzia durch den ganzen Kontinent fegte und von allen Völkern und Stämmen Menschenopfer verlangte. Schätzungsweise 60 Millionen Menschen wurden gejagt, starben teilweise bereits auf dem Weg nach den nord- und südamerikanischen Sklavenmärkten oder in die östlichen Königs- und Fürstenhäuser. Auch später während des Kolonialismus wurden die Afrikaner nicht geachtet. Keine der europäischen Mächte fragte sie nach ihren Fähigkeiten und Wünschen, alle bestimmten rücksichtslos zum europäischen Vorteil über Land und Leute.

Die Geschichte teilte die Afrikaner in Entführte und Zurückgebliebene, liess gleichermassen Hass und Trauer aufkommen und prägte die schwarze Kultur über die Kontinente hinweg. Daraus stammt die heutige  afrikanische Kultur, daraus stammen Soul und Jazz. Melancholie und Überschwänglichkeit mischen sich dauernd. (db)

Lesen Sie das ganze Interview mit Al Imfeld im aktuellen «Zolliker Bote» vom 21. Februar 2014.

Al Imfeld berichtet im Rahmen der Veranastaltung «Café Littéraire. Bücher im Gespräch» über seine Erlebnissen. Die Veranstaltung findet am Mittwoch, 26. Februar, um 14.15 Uhr im reformierten Kirchgemeindehaus Zollikerberg statt.