«Der Nikolaus ist ein lieber und guter Mann»
Kinder haben ganz viele Fragen an den Samichlaus – wir auch. Wir haben den Oberchlaus der St. Nikolaus Gesellschaft Zollikon-Zollikerberg getroffen und mit ihm über berührende Momente, schlecht informierte Eltern und der Verwechslung mit dem Weihnachtsmann gesprochen.
Lieber Samichlaus, heute, am 6. Dezember, ist dein grosser Tag. Wie viele Kinder wirst du besuchen und wer wird dich begleiten?
Wahrlich, heute ist ein grosser Tag! Ich bin mit meinem Schmutzli unterwegs. Wir machen abends etwa sechs Hausbesuche bei Familien mit im Durchschnitt zwei bis drei Kindern. Wir dürfen also pro Tag gegen 20 Kindern eine Freude bereiten. Wir sind in der Regel an drei Abenden unterwegs.
Seit dem Tod des guten Sankt Nikolaus bringen Samichläuse den Kindern die Geschenke. Wie viele Samichläuse gibt es in Zollikon und Zollikerberg und bringt ihr den Kindern neben Lebkuchen, Nüssli, Mandarinen und Schokolade auch andere Geschenke mit?
Am 6. Dezember begehen wir den Todestag von Sankt Nikolaus. Dabei wird seiner Güte und Taten gedacht und dies auch gefeiert. Es stehen nicht die Geschenke im Vordergrund, sondern das in seinem Sinne weiter zu führen, was er angefangen hat: Allen Kindern Freude zu bereiten, die Kranken zu besuchen und sie aufzumuntern. Natürlich kann man mit Geschenken den Kindern viel Freude bereiten, daher bringen wir auch manchmal andere Gaben, wie zum Beispiel Skis oder Bob-Schlitten mit. Dies ist aber zum Glück eher die Ausnahme und nicht die Regel.
Bist du eigentlich noch in Mode? Wissen die Kinder noch, wer du bist?
Die meisten Kinder kennen die Nikolausgeschichte aus dem Kindergarten oder der Schule. Dort werden verschiedene der unzähligen Nikolausgeschichten behandelt. Zuerst frage ich die Kinder jeweils, ob sie wüssten, wer ich bin und warum ich hier sei. Meist erzählen die Kinder dann, was sie über mich wissen. Die Kinder sind jedenfalls besser informiert als die meisten Erwachsenen.
Hat dich schon mal ein Kind zu Tränen gerührt?
Es gibt viele bewegende Momente, jede Begegnung ist speziell und immer wieder anders. Meist sind es keine traurigen, sondern lustige Augenblicke. Einmal sollte ich einem Mädchen – im Auftrag der Eltern – gehörig die Leviten lesen, weil sie die Untugend hatte, nicht immer alles schön aufzuessen. «Weshalb?», fragte ich. Keine Antwort; betretenes Schweigen. «Dörfsch mers au is Öhrli säge.» Flugs war das Mädchen bei mir und flüsterte in mein silbernes Chlaushaar hinein: «Wills öppedie miserabel isch …» Beim Hinausgehen wollte der Vater nebenbei wissen, was denn seine Tochter gesagt habe. «Samichlaus-Berufsgeheimnis», erhielt er zur Antwort.
Was sagst du einem Kind, das an deiner Identität zweifelt?
Anfangs erzähle ich die Sankt-Nikolaus-Legende, danach besteht meist kein Zweifel mehr an meiner Idendität. Grössere Kinder nehme ich beiseite und erkläre ihnen, dass sie nun schon älter sind und daher den Jüngeren von unserem Geheimnis nichts verraten sollen. Meist sind diese dann stolz darauf und machen angeregt mit.
Steckst du freche Zolliker Kinder in den Sack oder gibst du ihnen die Fitze?
Wenn erzählt wird, dass ich die Kinder für ihre bösen Taten bestrafe, dann stimmt das nicht! Wäre das nicht eine schlimme Sache? Es existieren unzählige Nikolausgeschichten. Habe ich da je Kinder bestraft? Eigentlich nicht. Ich möchte den Kindern helfen, gute Kinder zu werden. Dazu muss ich aber niemanden bestrafen. Vielleicht muss ich manchmal Dinge zu den Kindern sagen, die ihnen nicht so gut gefallen, aber das ist doch nur eine winzige Nebensache. In erster Linie komme ich, um den Kindern eine Freude zu machen und vielleicht ein kleines Geschenk zu bringen. Der Nikolaus ist ein lieber und guter Mann, und das wird auch immer so bleiben.
Welches sind die häufigsten Gründe für Tadel?
Dass die Kinder zu viel Zeit vor dem Fernseher oder zu lange am PC mit Computerspielen verbringen. Viele Kinder haben auch Mühe mit dem Zimmer Aufräumen. Einmal hatte ich einen Dreikäsehoch auf die Unordnung in seinem Zimmer hinzuweisen. Am besten – so dachte ich – liess sich dies bei einem Augenschein erledigen. Und siehe da: Tatsächlich lagen im ganzen Zimmer haufenweise Kleider herum. Ich ermahnte den kleinen Übeltäter, besser Ordnung zu halten, worauf dieser ungerührt entgegnete: «Das isch s`Mami gsii – wos glüütet hät, hät sie us Uufregig eifach alles, wo umegläge isch, i mis Zimmer ine gschosse …»
Haben heutige Kinder noch Respekt oder gar Angst vor dir?
Respekt ist eine gute Sache. Der Samichlaus ist einfach eine Respektsperson. Es ist schön, wenn die Kinder aufmerksam zuhören. Angst sollten sie aber keine haben. Der Samichlaus ist ein freundlicher Mann und will Freude bringen. Am meisten freut es mich jeweils, wenn die anfänglich zögernden Kinder mich am Schluss mit einem festen Händedruck verabschieden.
Weshalb liest du eigentlich nur den Kindern die Leviten? Hätten das die Eltern nicht auch ab und zu nötig?
Sicherlich würde es manchem Erwachsenen gut tun, auf sein Verbesserungspotential hingewiesen zu werden. Da aber der St. Nikolaus traditionsgemäss ein offenes Ohr vor allem für Kinder, Arme und Kranke hatte, konzentrieren wir uns vorwiegend auf die Kinder. Ausserdem finden es die Kinder meist befremdend, wenn auf die Unzulänglichkeiten der Eltern eingegangen wird.
Hast du eigentlich eine Frau? Vielleicht das Christkind oder ein Engeli?
Ich lebe mit meinem Schmutzli im Wald. Manchmal kommen uns die Engeli besuchen und helfen beim Guetzli Backen.
Was machst du im Sommer, wenn alle in die Badis gehen und niemand an Schnee, Nüsse und den Samichlaus denkt?
Ich putze die Hütte und füttere den Esel (lacht). Im Oktober gehen dann die Vorbereitungen wieder los. Ein guter Samichlaus bereitet sich gewissenhaft auf seine Besuche vor.
Mit dem Samichlaus sprach Melanie Marday-Wettstein.
Lesen Sie das ganze Interview im aktuellen «Zolliker Bote» vom 6. Dezember 2013.