39/2013 Reden statt die Faust im Sack

Reden statt die Faust im Sack

Das Gespräch suchen, den Austausch fördern, lautet das Credo des neuen Vorstands des Gewerbevereins Zollikon. Am Dienstag lud er zusammen mit der Gemeinde zur ersten gemeinsamen Veranstaltung. Schwerpunkt war die öffentliche Beschaffung.

Von Aufbruch sprach Jürg Widmer, als er sich zusammen mit Lorenzo Balmelli und Daniel Nussbaum im Frühling in den Vorstand wählen liess. Neuen Schwung versprach der Präsident und tatsächlich: Nur wenige Monate später finden sich über 40 Gewerbler der Gemeinde im Haus Brunnenhof der Stiftung Diakoniewerk Neumünster ein. Seite an Seite mit Vertretern der Gemeinde wurde ein Abend lang zugehört und diskutiert, ein reger Austausch fand statt, die Gesichter hinter den Namen wurden sichtbar. Thema des Anlasses sind die öffentlichen Beschaffungen, die laut Jürg Widmer «immer wieder Anlass zu Diskussionen» geben.

Von den 12‘099 Einwohnern der Gemeinde Zollikon arbeiten 5903 auch an ihrem Wohnort. Es sind 718 Betriebe angesiedelt, 717 sind KMUs mit einer durchschnittlichen Betriebsgrösse von 5,4 Personen. Der grösste Arbeitgeber der Gemeinde war am Dienstagabend die Gastgeberin: die Stiftung Diakoniewerk Neumünster, seit mehr als 150 Jahren private Trägerin des Spitals Zollikerberg. Die meisten Zolliker Unternehmen, rund 92 Prozent, sind im produzierenden Gewerbe tätig, zu dem unter anderem das Handwerk, das Bau- und Gastgewerbe, der Verkehr sowie die Energie- und Wasserversorgung zählen. Auf den Dienstleistungssektor entfallen knapp acht Prozent der Unternehmen. Sechs Landwirtschaftsbetriebe stehen für den Primärsektor, die Urproduktion. Mit diesen Zahlen begrüsste Gemeindepräsidentin Katharina Kull-Benz die Anwesenden und unterstrich damit den Stellenwert des Gewerbes. Zwischen Verwaltung und Gewerbe habe es in der Vergangenheit des Öfteren eine Wand gegeben, die Vergabepraxis sei reklamiert worden, meinte Jürg Widmer und sprach von der Faust im Sack, die viele gemacht hätten. «Ziel des heutigen Abends ist es, diese Wand zu durchbrechen, indem wir miteinander reden.» Nur so könnten gute Beziehungen entstehen.

«Äpfel mit Äpfeln vergleichen»

Behörden und Gemeinwesen beziehen auf dem freien Markt für ihre Aufgabenerfüllung Sachmittel und Leistungen von Anbietern. Dabei wird von «öffentlicher Beschaffung», «Vergabe» oder «Submission» gesprochen. Durch das Referat der Rechtsanwältin Claudia Schneider Heusi zur aktuellen Praxis und Rechtsprechung des Submissionsrechts erhielten die Gewerbler zu Beginn einen umfassenden Einblick, was es bei öffentlichen Beschaffungen alles zu beachten gilt.

Dass die Bevorzugung ortsansässiger Anbieter nicht bei allen Ausschreibungsverfahren zulässig ist, sollten die Zolliker Gewerbler als Chance sehen und nutzen. «Sie möchten ja auch in anderen Gemeinden Aufträge erhalten», wandte sich die Rechtsanwältin an das Publikum, «Ein Ziel der öffentlichen Submission ist neben andern Kriterien die Vergabe an das wirtschaftlich günstigste Angebot, welches nicht immer das billigste sein muss.» Genau diese Erfahrung hätten aber einige Gewerbler in jüngster Vergangenheit schon gemacht, meinte Jürg Widmer und appellierte an die Verantwortlichen, dass bei der Prüfung verschiedener Offerten jeweils «Äpfel mit Äpfeln und nicht plötzlich mit Birnen verglichen werden.» Dass bei Freihändigen Vergaben Anbieter von ausserhalb Zollikons zur Offertstellung eingeladen werden, könne er nachvollziehen und verstehen, dies fördere ja auch die Wettbewerbsfähigkeit, wenn aber plötzlich Anbieter aus weit entfernten Regionen den direkten Zuschlag erhielten, stosse das bei ihm auf Unverständnis.

Die Kosten im Griff behalten

Den Kostenpunkt nahm auch Gemeinderat und Liegenschaftenvorstand Daniel Weber nochmals auf, der über die Vergabepraxis der Liegenschaftenabteilung sprach. Es sei zwar so, dass bei kleineren Aufträgen (Freihändiges Verfahren) der Spielraum grösser sei, man dürfe aber nicht vergessen, dass die Gemeinde auch immer jemanden im Rücken habe: den Bürger, der sehen wolle, dass die Gemeinde spart. Gemeinderat und Gesundheitsvorstand Urs Fellmann zeigte am praktischen Beispiel des Neubaus des Wohn- und Pflegezentrums Blumenrain, wie die Auftragsvergabe läuft. Von den 56 Millionen entfielen vier bereits in den Planungsbereich im Vorfeld, aus den verbleibenden 52 Millionen wurden sieben sogenannte Submissionspakete gemacht mit den entsprechenden öffentlichen Ausschreibungen.

Beim anschliessenden Podium wurden offene Fragen zur öffentlichen Beschaffung geklärt und die einzelnen Behördenmitglieder und Gemeinderäte den Gewerblern persönlich vorgestellt. Ob sich die vermittelte Theorie in der Praxis auch so umsetzen lässt und die eingangs erwähnte Wand zwischen Gemeinde und Gewerbe der Vergangenheit angehört, wird sich weisen müssen. Für Gewerbevereinspräsident Jürg Widmer soll der vergangene Dienstagabend nicht der letzte dieser Art gewesen sein. Er plant, regelmässige Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Gemeinde durchzuführen. Denn wie er und Daniel Weber unisono sagten: «Miteinander reden, dann funktioniert’s.» (mmw)

Lesen Sie den ausführlichen Bericht im aktuellen «Zolliker Bote» vom 27. September 2013.