25/2013 Der Mann mit den Siebenkontinenten-Stiefeln

Der Mann mit den Siebenkontinenten-Stiefeln

Vor drei Jahren ging ihm nach einem Kilometer bereits der Schnauf aus, heute rennt Mike Bär Marathon. Wenn es ihm gelingt, sogar auf allen sieben Kontinenten – er wäre erst der zweite Schweizer.

Kalt war’s. Kalt und windig und eigentlich wäre Mike Bär lieber etwas schneller gerannt. Dann hätte er vielleicht nicht so gefroren während der 42,195 Kilometer durch Tokio, Japans bevölkerungsreichste Stadt. Weil er aber einer Kollegin versprochen hatte, mit ihr zusammen ihren ersten Marathon zu laufen, drosselte er sein Tempo. Dafür blieb ihm genügend Zeit, alles um sich herum wahrzunehmen in der Stadt, die seine absolute Lieblingsstadt ist. Inmitten all der Wolkenkratzer hat Mike Bär von 1989 bis 1991 gelebt, doch nun präsentierte sich ihm seine Stadt nochmals aus einem anderen Blickwinkel, aus jenem des Läufers. Trotz Kälte genoss er jede Minute des vierstündigen Laufs. «Es war sehr amüsant, jedes Detail perfekt organisiert, die Leute höflich wie immer», blickt er auf Japan im Februar zurück, «sie entschuldigten sich gar, wenn sie einem in den Weg kamen.» Das pure Gegenteil von London, wo er im April vergangenen Jahres seine erste Strecke in der Serie des Sieben-Kontinente-Marathons absolvierte. «Die Leute standen sich gegenseitig auf den Füssen rum, plötzlich blieb mal wieder einer stehen inmitten all der Läufer, um etwas zu fotografieren», erinnert er sich breit grinsend an das Chaos und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Zufrieden sieht er aus, der braungebrannte 51-Jährige, der die längste olympische Laufdisziplin vor drei Jahren für sich entdeckt hat.

Vom Anti-Sportler zum Langstreckenläufer

Dass er einst mit Begeisterung Marathon laufen würde, hätte der zweifache Familienvater allerdings nicht für möglich gehalten. 48 Jahre lang habe er mit Passion nichts gemacht, Sport war dem Geschäftsmann ein Fremdwort. Mike Bär, Urenkel des Gründers der Privatbank Julius Bär, zog sich 2005 aus der Julius-Bär-Gruppe zurück und startete mit Baer Capital Partners seine eigene international tätige Finanzgesellschaft. Kurz nach der Geschäftsgründung in Dubai stand ein Charity-Event an, bei dem neben der Belegschaft auch der Chef höchstpersönlich zehn Kilometer zurücklegen sollte. «Ich setzte mich in mein Auto, fuhr eine Strecke von zehn Kilometern ab und dachte mir: ‚Oje, das ist ziemlich weit‘.» Danach kaufte er sich Turnschuhe, ging in den Zolliker Wald und kehrte bereits nach einem Kilometer erschöpft nach Hause zurück. Doch was seine Mitarbeiter können, wollte er auch können. Mike Bär trainierte sechs Wochen lang, bis es ihm gelang, die Strecke in einer Stunde zu laufen. Im Flugzeug auf dem Weg nach Dubai traf er einen Freund, der Marathon läuft. Ihm berichtete Mike Bär stolz, dass er nun auch rennen kann – «ganze zehn Kilometer am Stück». Sein Gegenüber war nur mässig beeindruckt und sagte ihm, dass wer zehn Kilometer rennen könne, es auch über viermal zehn Kilometer schaffe. Und meldete ihn kurzerhand für die Marathondistanz um.

Sieben Kontinente, sieben Marathons

Zurück in Zollikon berichtete Mike Bär seiner Familie von den vier Stunden und zehn Minuten, in denen er 42,195 Kilometer weit durch Dubai gerannt war. Es folgte ein weiterer in Berlin sowie in Mumbai, wo der Schweiss bei über 30 Grad nur so aus den Poren schoss. Danach kam die Anfrage für den Sieben-Kontinente-Marathon von der Young Presidents’ Organisation, einer der bedeutendsten Organisationen für Wirtschaftsführer um die 40, bei welcher der ehemalige Private Banking Chef Mitglied ist.

Nach London, Auckland und Tokio läuft Mike Bär in drei Wochen den Safaricom Marathon in der Serengeti. Als krasser Kontrast folgt im Herbst der Antarctic Ice Marathon auf dem antarktischen Hochland, nächsten Frühling geht’s nach Rio und zum Abschluss nach New York im Herbst 2014. Schafft er all diese Läufe, hätte er sieben Marathons auf sieben Kontinenten in zweieinhalb Jahren bewältigt und würde als Zweiter Schweizer Mitglied im «Seven Continents Club» werden. Im Frühling möchte er auch noch den Ultramarathon, den «Two Oceans Marathon» in Südafrika bestreiten: 56 Kilometer vom Indischen an den Atlantischen Ozean. (mmw)

Lesen Sie den ausführlichen Bericht im aktuellen «Zolliker Bote» vom 21. Juni 2013.