Ein erstrebenswertes Amt?





Noch bis zum Abend des 23. Septembers dauert es, bis das Ergebnis der Ersatzwahlen in den Gemeinderat feststeht: Wer wird für die nächsten zwei Jahre den Rat wieder komplettieren? An zwei öffentlichen Anlässen hatte die Bevölkerung diese Woche Gelegenheit, den vier Kandidaten auf den Zahn fühlen.
Die Zolliker Stimmbevölkerung hat die Qual der Wahl. Für zwei freie Sitze im Gemeinderat stellen sich vier Kandidaten zur Wahl. Martin Hirs kandidiert für die SVP, Hans Heinrich Knüsli wird von der GLP portiert, Valentin Kuster geht als Parteiloser ins Rennen, Marc Raggenbass tritt für die FDP an. Ein Bild der Anwärter konnten sich die Zollikerinnen und Zolliker am Montag- und Dienstagabend dieser Woche machen: Am Montag luden FDP, SVP und GLP in den Gemeindesaal ein, am Dienstagabend war der Quartierverein Zollikerberg Gastgeber im Gerenhaus in Zollikerberg. Der Publikumsaufmarsch stand prozentual im Verhältnis zum jeweiligen Bevölkerungsanteil der beiden Ortsteile. An beiden Anlässen wurden die Amtsbewerber mit einer beachtlichen Anzahl von Publikumsfragen konfrontiert.
„Weshalb stellt man sich überhaupt für so ein Amt zur Verfügung?“ Dies die einleitende Frage von Moderatorin Claudia Eberle-Fröhlich an die Kandidaten. Für Martin Hirs lag es nach dem Rücktritt der beiden 5W-Gemeinderäte nahe, dass jemand aus der SVP den Sprung in den Gemeinderat versuchen wird. „Wir haben uns an der letzten Gemeindeversammlung sehr stark engagiert. Wir können nicht nur klagen, sondern müssen nun auch handeln. Für uns als Partei war klar, dass jemand aus unseren Reihen aktiv im Gemeinderat mitarbeiten will“, erklärte er. Hans Heinrich Knüsli will einen tatkräftigen Beitrag für die Gemeinde leisten und für den parteilosen Valentin Kuster hat es sich einfach so ergeben: „Ein Teil der Zolliker Bevölkerung ist im Gemeinderat gut vertreten. Den anderen Teil möchte ich vertreten.“ Marc Raggenbass betreibt seit 20 Jahren aktive Politik in der Gemeinde. „Die Politik fasziniert mich. Insbesondere die Gemeindepolitik, die sehr nahe an der Bevölkerung ist.“ Alle Vier stimmen darin überein, dass es für dieses Amt wichtig ist, dass man in der Gemeinde verwurzelt ist.
Auf die kritische Frage der Moderatorin, ob die Herren denn auch genug Zeit für dieses Amt aufbringen könnten, meinte Martin Hirs: „Ich bin mir bewusst, dass 30 Prozent nicht reichen werden. Zu Beginn benötigt man wohl eher 50 Prozent.“ Er sei aber selbständig und deshalb in der komfortablen Lage, sich seine Zeit selber einteilen zu können. „Aber ich bin mir bewusst, dass es zeitaufwändig ist.“ Als Vorstandsmitglied der GLP wendet Hans Heinrich Knüsli bereits heute viel Zeit für die Politik auf, aber: „Neben der Arbeit muss es drinliegen. Ansonsten könnte das Amt als Gemeinderat nicht im Milizsystem ausgeübt werden.“ Auch Valentin Kuster ist sich bewusst, wie viel Zeit dieses Amt in Anspruch nimmt: „Aber wir sind ja nicht wie Strom und gehen den Weg des geringsten Widerstandes.“ Er werde sich die Zeit nehmen, wenn er gewählt werde. Und wie würden sie damit umgehen, wenn eines ihrer Anliegen vom Souverän nicht positiv quittiert würde? „Man kann seinen Kopf nicht immer durchsetzen“, so Martin Hirs. Und Hans Heinrich Knüsli ist überzeugt, dass die direkte Demokratie nur funktioniert, wenn man die Meinung des Souveräns akzeptiert.
Neuausrichtung der Liegenschaftenverwaltung?
Mit den Liegenschaften sprach Claudia Eberle-Fröhlich ein heikles Thema an. „Brauchen wir ein Kompetenzzentrum für die Liegenschaften?“ fragte sie in die Runde. Valentin Kuster ist sich sicher, dass auch ein Profi kein Garant dafür ist, dass alles gut kommt. Hans Heinrich Knüsli meint, dass die Gemeinde diese Arbeiten alleine bewältigen kann und muss. „Es ist nicht nötig, dass wir die Liegenschaften in fremde Hände geben.“ Anderer Ansicht ist Martin Hirs: „Auf der Liegenschaftenabteilung arbeiten zu viele Leute. Ich glaube, dass wir viele Angelegenheiten extern geben könnten.“ Der Vorteil dabei sei, dass man die Leute nur dann benötige, wenn sie auch wirklich gebraucht würden. „Sie stehen dadurch auch nicht ständig auf der Lohnliste.“ Auch für Marc Raggenbass wäre ein Kompetenzzentrum eine Lösung: „Es darf aber nur eines geben.“ Auch die Schule müsse in diesem einen Kompetenzzentrum eingebunden sein. Marc Raggenbass ist es aber auch wichtig, dass das Wissen und das Know-how in Zollikon bleiben.
Zollikon zu teuer zum Wohnen?
„Stimmt das Verhältnis zwischen der Bau- und der Freihaltezone“? warf die Moderatorin den Kandidaten ein weiteres kontroverses Thema hin. „Wir müssen uns überlegen, ob wir das Ortsbild behalten oder eine Stadt von Zürich bis Rapperswil wollen“, so Valentin Kuster. Von Einzonungen hält der Parteilose allerdings nichts. „Wenn wir kein Geld mehr in der Kasse haben, können wir das wieder erwirtschaften. Wenn wir aber unsere Grünflächen überbauen, dann sind sie für immer verloren.“ Ins selbe Horn stiess GLP-Kandidat Knüsli. Eine Einzonung grösserer Flächen komme für ihn vorerst nicht infrage. Martin Hirs will den Wohnraum möglichst effizient nutzen. Dabei sei wichtig, dass man auch familienfreundliche, sprich bezahlbare Wohnungen anbiete. Auch Marc Raggenbass möchte von Einzonungen absehen. Er sieht eine Lösung im verdichteten Bauen. Valentin Kuster schlägt vor, dass die Gemeinde zum Beispiel den leerstehenden Kindergarten Langwatt in Wohnraum umnutzen könne. Auch sollten nur noch Bauprojekte bewilligt werden, die bezahlbare Wohnungen vorsehen und für genügend Menschen Wohnraum bieten. Marc Raggenbass erinnerte daran, dass es in der Gemeinde 1000 Genossenschaftswohnungen gibt. „Die Gemeinde muss nicht selber bauen, sie muss die Baugenossenschaften fördern“, so sein Aufruf.
In einer weiteren Fragenrunde ging es im Dorf um die Zentrumsplanung. Wie soll es mit dem Areal Beugi weiter gehen, falls die Stimmberechtigten die nächsten Schritte zum Wohn- und Pflegezentrum Blumenrain befürworten? Marc Raggenbass und der FDP ist es wichtig, dass es rasch vorwärtsgeht. Ihm schwebt eine durchmischte Nutzung mit Wohnungen und Geschäften vor. „Wir benötigen vor allem Alterswohnungen.“ Dafür setzt sich auch Valentin Kuster ein. „Diese dürfen aber nicht zu teuer werden“, warnte er.
Im Zollikerberg beschäftigen andere Themen die Menschen: Müssen zum Beispiel Leistungen im Quartiertreff abgebaut werden? Hier waren sich alle Kandidaten einig: nein, auf keinen Fall. Ein weiteres Thema sind die Forchstrasse und die Forchbahn. Sollen diese unter den Boden? Auch hier eine einstimmige Antwort: Das wäre zwar wünschenswert, aber in Realität viel zu teuer.
Viel aufzuholen in ökologischen Fragen
Ähnlich ging es auch bei der Frage, wie viel Ökologie Zollikon benötige, weiter: Grosse Unterschiede waren bei den Ratsanwärtern nicht auszumachen: „Zollikon hat einen grossen Nachholbedarf“, so Hans Heinrich Knüsli. Er fordert, dass in Zukunft ganz automatisch Naturstrom verrechnet wird. „Wer Atomstrom beziehen will, muss dies explizit wünschen.“ Dazu erwiderte Marc Raggenbass, dass jeweils auf Ende eines Quartals das Stromangebot gewechselt werden kann. Das heisst, auf den 1. Oktober kann jeder, der dies wünscht, auf Naturstrom wechseln. „Jetzt ist Eigenverantwortung gefragt“, forderte Marc Raggenbass die Anwesenden auf. Die Leute seien dazu leider zu faul, fürchtet ein Gast aus dem Saal. Naturstrom müsse als selbstverständlich angenommen werden.
„Was gefällt Ihnen an unserem Dorfzentrum nicht? Weshalb wollen sie es aufwerten?“ wurde Marc Raggenbass aus dem Publikum gefragt. Dieser betonte, dass er in erster Linie das Angebot aufwerten möchte. Ihm fehle eine gelungene Mischnutzung. Martin Hirs fehlt „das Leben“ an der Alten Landstrasse. „Früher war diese sehr belebt. Heute fahren viele Zolliker nach Küsnacht zum Einkaufen. Das muss nicht sein.“
Finanzen in Ordnung bringen
In Zollikerberg stellte Claudia Eberle-Fröhlich eine weitere Frage, die viele Wahlberechtigte beschäftigt: „Ist Entwicklungshilfe eine Aufgabe der Gemeinde?“ Marc Raggenbass und Martin Hirs ist es wichtig, dass jeder Bürger im privaten Rahmen aktiv ist. Entwicklungshilfe sei nicht Aufgabe der Gemeinde, weil Bund und Kanton in den letzten zwei Jahren massiv mehr Gelder über den Steuerausgleich abliefern, weiss Marc Raggenbass. „Viel Geld geht ins Ausland, ohne dass wir genau kontrollieren können, wohin“, warnte der FDP Kandidat.
Auf die grundsätzliche Frage, wie die Kandidaten Zollikon weiterbringen möchten, rückten die Finanzen in den Vordergrund. „Als erste Priorität müssen wir den Ruf von Zollikon wieder herstellen. Sowohl gegen innen wie auch gegen aussen. Als zweite Priorität müssen wir die finanzielle Lage ins Lot bringen“, so Marc Raggenbass. Auch für Valentin Kuster haben die Finanzen erste Priorität. Wichtig sind ihm aber auch die Liegenschaften. „Wir dürfen keine Liegenschaften verkaufen, um das Loch in der Kasse zu stopfen.“ Hans Heinrich Knüsli will zum Dorfleben Sorge tragen. „Auch das geht aber nur, wenn unsere Finanzen in Ordnung sind.“ Martin Hirs will die Gemeindeordnung anpacken. Auch das Wohn- und Pflegezentrum Blumenrain sowie die Zentrumsplanung sind ihm wichtig.
Die Zolliker Bevölkerung hat nun noch 10 Tage Zeit um sich eine Meinung zu bilden. Am Sonntag, 23. September, ist klar, wer den Gemeinderat kompletieren wird – zumindest für zwei Jahre. (slb)