Ein Beinahe-Sieg für den Gemeinderat





Das Zolliker Gemeindebudget wurde an der gestrigen Gemeindeversammlung mit einem Steuerfuss von 82 Prozent genehmigt, die «Truben»-Initiative und dER Antrag DER SchulPFLEGE abgelehnt.
Die Kirchenuhr schlug beinahe Mitternacht, als Gemeindepräsidentin Katharina Kull-Benz die Gemeindeversammlung gestern Donnerstag als geschlossen erklärte. Sie tat es mit einem Lächeln, denn der Gemeinderat konnte zumindest einen halben Sieg feiern.
Der Gemeinderat hatte sich auf einen Grossandrang der Stimmberechtigten eingestellt. Er übertrug die Gemeindeversammlung gestern Abend vom Gemeindesaal direkt in die neue Turnhalle Oescher, wo immerhin acht der insgesamt 456 Anwesenden die Versammlung verfolgten.
Das schlimmste Szenario – eine erneute Rückweisung des Budgets und somit auch des Steuerfusses – traf nicht ein. Dies wäre auch ein Novum gewesen, wie Katharina Kull-Benz am Beginn der Versammlung erklärte. Noch nie hat eine Gemeinde im Kanton Zürich das Budget zweimal zurückgewiesen.
Provokative Posten nicht gestrichen
«Was hat der Gemeinderat seit der Rückweisung im Dezember getan?» fragte die Gemeindepräsidentin zu Beginn der Versammlung und beantworte die Frage gleich selbst: Der Gemeinderat habe ein realistisches neues Budget ausgearbeitet. „Wir haben sämtliche Posten noch einmal unter die Lupe genommen. Dabei haben wir provokative Posten nicht gestrichen“, erklärte Katharina Kull-Benz. Denn, so bemerkte sie, hätte man zum Beispiel die 1.-August-Feierlichkeiten auf der Allmend streichen können. «Welches sind nun unsere Perspektiven?» fragte sie. «Wir haben ein Ziel und dahin führt nur ein Weg.» Das Ziel sei, ein ausgeglichenes Budget zu erzielen. Auch Finanzvorstand Martin Byland bestätigte, dass der Gemeinderat bei der Überarbeitung darauf geachtet habe, ein realistisches Budget vorzulegen. Bei den Streichungen habe man darauf geachtet, dass diese auch in den folgenden Jahren umsetzbar sein würden. Auf Budgetierungen von Reserven und Schwankungen habe man verzichtet.
Ein Steuerprozent entsprich einer Million Franken
«Man sagt uns immer wieder, Zollikon habe die höchsten Verwaltungskosten im Bezirk», so Martin Byland. Diese zitierte Statistik betreffe jedoch nur einen kleinen Teil der Gemeindeverwaltung und sei daher irreführend. Generell seien Vergleiche schwierig, jede Gemeinde sei anders. Mit einer kantonalen Statistik zeigte der Finanzvorstand die Unterschiede auf: Zollikon weist beim Nettoaufwand pro Einwohner bei den Totalkosten mit 4121 Franken einen tieferen Aufwand auf als Herrliberg, Erlenbach und Zumikon. Bei den Behörden- und Verwaltungskosten allerdings liegt Zollikon mit 818 Franken an erster Stelle, genauso wie bei den Gesundheitskosten. Doch das habe seine Gründe, erklärte Martin Byland. «Einerseits haben wir dort die Informatik zentralisiert und anderseits ist dort der Nachholbedarf drin: ein Teil der Sanierungskosten für die Pensionskasse, die Leistungen für die Pensionierten und der höhere Aufwand für die Verwaltungsgebäude. Unsere hohen Gesundheitskosten hängen damit zusammen, dass in Zollikon viele ältere Menschen leben, aber auch damit, dass wir zwei veraltete Altersheime unterhalten müssen.» Die hohen Behörden- und Verwaltungskosten wurden aus der Versammlung immer wieder als „strukturelles Defizit“ bemängelt.
Das Zolliker Sparheft sei im Moment leer, schloss der Finanzvorstand seine Einführung. «Wir brauchen eine Steuererhöhung, um den Finanzausgleich bezahlen zu können. Ein Steuerprozent entspricht ungefähr einer Million Franken», erklärte Martin Byland die Bedeutung des Steuerfusses.
Eigentlich enttäuscht
Urs Uehlinger, Präsident der Rechnungsprüfungskommission (RPK) zeigte sich über das neue Budget enttäuscht. «Doch wenn wir heute das Budget erneut zurückweisen, wird jemand anderer das Budget machen und einen Steuerfuss festlegen. Dieser wird dann so hoch sein, dass das Budget ausgeglichen ist», warnte der Präsident. «Deshalb müssen wir heute mit einem genehmigten Budget den Saal verlassen. Wir sind aber nicht zufrieden und überzeugt, dass man noch mehr hätte streichen können». Marc Raggenbass, Präsident der FDP Zollikon, zeigte sich überzeugt davon, dass die Diskussionen nötig und wichtig waren. «Die Einsparungen sind jetzt da, das Prozedere war somit sinnvoll.» Aber: «Auch wir können nicht zufrieden sein. Aber wir müssen das Budget jetzt annehmen.» Marc Raggenbass verglich die Gemeinde mit einem labilen Kartenhaus. «Wir müssen alle zusammenstehen. Wenn nur einer am Kartenhaus zieht, haben wir einen Scherbenhaufen.» Auch Jean-Marc von Gunten, Co-Präsident des Forums 5W, unterstützte das überarbeitete Budget. «Der Gemeinderat hat in der knappen Zeit sein Möglichstes getan.» Das Forum 5W zeigte sich allerdings von der Streichung des Labels Energiestadt enttäuscht. «Der Gemeinderat hat sich das Ziel Energiestadt selber als Legislaturziel gesteckt. Jetzt wird es einfach gestrichen.»
Aufwändiges Abstimmungsprozedere
Gerhard Schürmann, Präsident der SVP Zollikon, rief den Stimmberechtigten noch einmal ins Gedächtnis, dass Zollikon eine teure Verwaltung hat. «Das bestätigt der Finanzplaner, den die Gemeinde selber eingestellt hat. Unsere Finanzen sind nicht im Gleichgewicht. Das Budget muss zusätzlich noch gestrafft werden.» Die SVP gelangte darauf gleich mit drei Anträgen an die Versammlung: Es soll auf die individuellen Lohnerhöhungen verzichtet werden, dazu müsse in der Verwaltung gespart werden, was rund sieben Arbeitsplätze kosten würde. Und auch bei der Schule und den Altersheimen sei der Sparhebel anzusetzen. Geht es nach der SVP, so können 750 000 Franken Salärkosten und insgesamt 900 000 Franken gespart werden. «Und wir sind der Meinung, dass eine Steuererhöhung Zollikon unattraktiv macht», ist Gerhard Schürmann überzeugt. Die 11 Millionen Franken für den Finanzausgleich will die SVP mit dem Verkauf von drei Liegenschaften sicherstellen. «Auch wir haben ein Konzept, nur die Philosophie ist eine andere als diejenige des Gemeinderates.» Auch die Grünliberale Partei kann sich mit dem neuen Budget nicht anfreunden. Aber dieses noch einmal zurückweisen, das kommt auch für die GLP nicht infrage.
Die SVP stellte den Antrag, insgesamt 18 Posten zu kürzen. In einem aufwändigen Abstimmungsprozedere musste über jeden einzelnen Antrag abgestimmt und ausgezählt werden. Insgesamt wurden zusätzlich zu den vom Gemeinderat vorgeschlagenen 1,625 Millionen weitere 430 000 Franken an Einsparungen von der Gemeindeversammlung genehmigt.
Bei der Steuerfussdebatte verlangte die SVP, anstelle einer Erhöhung drei Liegenschaften zu verkaufen. «Wir befürchten, dass wenn wir heute die Steuern erhöhen, der Gemeinderat mit den Sparbemühungen nachlässt», so Gerhard Schürmann. Das Forum 5W sagte ja zu einem Steuerfuss von 85 Prozent. Denn auch mit dem überarbeiteten Budget klafft noch immer ein 6-Millionen-Loch in der Kasse. Ein Stimmberechtigter stellte den Antrag, die Steuern nicht auf 85 Prozent, sondern lediglich auf 82 Prozent zu erhöhen. So musste auch hier in einem aufwändigen Abstimmungsprozedere darüber befunden werden, ob die Stimmberechtigten nun bei 79 Prozent bleiben wollen, so wie es die SVP verlangte, oder ob sie 82 Prozent oder 85 Prozent genehmigen. Schliesslich sagten 240 Stimmberechtigte Ja zu einem Steuerfuss von 82 Prozent.
Nein zum Truben und dezentralen Kindergärten
Der Gemeinderat will die Wirtschaft zum Truben nur noch kurzfristig vermieten, weil er sich bei der Planung des Dorfzentrums keine Fesseln anlegen will. August Hanselmann, Markus Meienberg und Franz Weisser hatten eine Initiative eingereicht, in der sie verlangten, die Wirtschaft zum Truben mitsamt ihren Nebenräumen, den dazugehörigen Wohnungen, dem Gartenrestaurant und den Parkplätzen als Dorfrestaurant langfristig zu erhalten, Die Liegenschaft dürfe weder verkauft noch für andere Zwecke verwendet werden. Der Betrieb soll nach anerkannten Regeln durch Fachleute zu marktkonformen Konditionen geführt werden. Die Liegenschaft sei vernünftig zu unterhalten. Der Gemeinderat sei für die Umsetzung verantwortlich. Begründet wurde die Initiative damit, dass der Truben ein wichtiger Ort für das Dorfleben darstelle. Liegenschaftsvorsteherin Dominique Bühler erklärte, dass auch für den Gemeinderat ein Restaurant wie der Truben in ein Dorfzentrum gehöre. Trotzdem lehne der Gemeinderat die Initiative ab. Er wolle sich bei der Neugestaltung des Areals Beugi Planungsfreiheiten lassen. Dazu gehöre aber sicher auch der Einbezug des Truben. Doch die Vorgaben der Initiative seien dem Gemeinderat zu eng. Die Stimmberechtigten folgten dem Antrag des Gemeinderates und lehnten die Initiative mit 170 Ja- zu 192 Neinstimmen ab.
Abgelehnt wurde auch der Antrag zur Erarbeitung eines Konzeptes «Renovation und Ausbau der Infrastruktur für die Kindergartenstufe und die Musikschule in Zollikon». «Wenn Sie wollen, dass die Quartierkindergärten auch für die nächsten 20 Jahre erhalten bleiben, dann stimmen Sie dem Kredit zu», plädierte Schulpflegepräsident Patrik Jeuch zu Beginn. Er erklärte aber auch, dass man den Antrag ablehnen solle, wenn man doch lieber in Richtung Schulzentren gehen wolle. «Sie können heute die Weichen stellen.» Sowohl der Gemeinderat wie auch das Forum 5W lehnten den Kredit ab. Der Gemeinderat geht ganz klar in Richtung Schulzentren. Und auch das Forum 5W möchte diese noch einmal lancieren – aber in einer abgespeckteren Form gegenüber letztem Jahr. Damals wurde die Vorlage für ein Schulzentrum im Berg und Dorf von der Gemeindeversammlung abgelehnt, unter anderem aus Kostengründen. Gestern nun sagten die Stimmberechtigten deutlich Nein zum Kredit. Damit steht einem neuen Anlauf für die beiden Schulzentren nichts mehr im Weg.